Geniebegriffe - Hans-Joachim Lenger
Geniebegriffe - Hans-Joachim Lenger
Geniebegriffe - Hans-Joachim Lenger
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
stätigung kann nur untergründig sein, weil in dieser unvermeidlichen<br />
Bewegung die Subjektivität den. Menschen entgleitet, weil die<br />
Menschheit wesentlich Produktionsgemeinschaft wird und nicht jene<br />
Daseinsberechtigung für die Produkte, die nur in dem Maß greifbar<br />
wird, wie sie jene Subjektivität ihres Wesens erfaßt, die die Kunst<br />
manifestiert.<br />
Die Erfahrung, die unter diesen Bedingungen gemacht wird, kann mit<br />
Feindseligkeit betrachtet werden. Aber dennoch sollten wir ihre Lehre<br />
nicht mißverstehen. Letzten Endes können wir nicht leugnen, daß es<br />
vorteilhaft für den grundlegenden Wert der Kunst war, einer so strengen<br />
Probe unterzogen zu werden, aus der sie gleichsam wie durch<br />
das Feuer geläutert hervorgeht. Ich fühle mich keineswegs an systematisch<br />
strenge Kunstformen gebunden:<br />
/86/<br />
Ich stelle mir im Gegenteil Auflockerungen, unvermeidliche Entlastungen<br />
vor. über die unmittelbaren Reaktionen hinaus, die notwendig<br />
immer unbedeutend sind, verlangt diese Probe doch die Reduktion<br />
der Kunst auf das, was am wenigsten in Verdacht steht, bloße<br />
Zerstreuung ermüdeter Geister zu sein: auf ihren Ernst.<br />
Nur durch die grenzenlose Negation hindurch definieren sich die<br />
Möglichkeiten, die standhalten.<br />
Endlich entsteht an der Spitze ein Vakuum.<br />
Durch Macht ist Souveränität nicht mehr zu erwerben. Erst in der<br />
Einsamkeit, wie die Kontemplation in der Kunst sie erschließt, aber<br />
strenger noch, erst wenn man in einem Gefühl des Verlorenseins auf<br />
die Einfachheit des Unvermeidlichen zurückgeworfen ist, tritt ein äußerster<br />
Wert hervor, ähnlich der Schönheit, die in dem Augenblick, da<br />
der Tod droht, das vergängliche Leben noch einmal umgibt. Es geht<br />
weniger um Werke, in denen diese Schönheit Gestalt annehmen<br />
könnte; vielmehr geht es um eine Kraft, die besitzen muß, wer von ihr<br />
nicht einen Augenblick getrennt sein möchte. Und weiter: vorausgesetzt,<br />
daß die Wenigen, die das angeht, das Bewußtsein dieser Kraft<br />
haben, werden Chaos und Dissonanzen, vom Ausmaß einer Welt,<br />
nicht aufhören, den Durst zu löschen, an dem die Menschheit ewig<br />
leiden wird.<br />
143