Geniebegriffe - Hans-Joachim Lenger
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wie schon Herr von Rumohr bemerkt, unstatthaft, die Stilgesetze der<br />
einen Kunstgattung auf die der anderen zu übertragen, wie es Mengs<br />
z. B. in seiner bekannten Musenversammlung in der Villa Albani tat,<br />
wo er »die kolorierten Formen seines Apollo im Prinzipe der Skulptur<br />
auffaßte und ausführte«. In ähnlicher Wei se sieht man es vielen Dürerschen<br />
Gemälden an, daß Dürer den Stil des Holzschnittes sich<br />
ganz zu eigen gemacht und auch in der Malerei besonders im Faltenwurf<br />
vor sich hatte.<br />
c. Originalität<br />
Die Originalität nun endlich besteht nicht nur im Befolgen der Gesetze<br />
des Stils, sondern in der subjektiven Begeisterung, welche, statt<br />
sich der bloßen Manier hinzugeben, einen an und für sich vernünftigen<br />
Stoff ergreift und den selben ebensosehr im Wesen und Begriff<br />
einer bestimmten Kunstgattung als dem allgemeinen Begriff des Ideals<br />
gemäß von innen her aus der künstlerischen Subjektivität heraus<br />
gestaltet.<br />
a) Die Originalität ist deshalb identisch mit der wahren Objektivität<br />
und schließt das Subjektive und Sachliche der Darstellung in der<br />
Weise zusammen, daß beide Seiten nichts Fremdes mehr gegeneinander<br />
behalten. In der einen Beziehung daher macht sie die eigenste<br />
Innerlichkeit des Künstlers aus, nach der an deren Seite hin gibt sie<br />
jedoch nichts als die Natur des Gegenstandes, so daß jene Eigentümlichkeit<br />
nur als die Eigentümlichkeit der Sache selbst erscheint<br />
und gleichmäßig aus dieses wie die Sache aus der produktiven Subjektivität<br />
hervorgeht.<br />
/381/<br />
ß) Die Originalität ist deshalb vor allem von der Willkür bloßer Einfälle<br />
abzuscheiden. Denn gewöhnlich pflegt man unter Originalität nur das<br />
Hervorbringen von Absonderlichkeiten zu verstehen, wie sie nur gerade<br />
diesem Subjekt eigentümlich sind und keinem anderen würden<br />
zu Sinne kommen. Das ist dann aber nur eine schlechte Partikularität.<br />
Niemand z. B. ist in dieser Bedeutung des Wortes origineller als<br />
die Engländer, d. h. jeder legt sich auf eine bestimmte Narrheit, die<br />
ihm kein vernünftiger Mensch nachmachen wird, und nennt sich im<br />
Bewußtsein seiner Narrheit originell.<br />
Hiermit hängt denn auch die besonders heutigentags gerühmte Originalität<br />
des Witzes und Humors zusammen. In ihr geht der Künstler<br />
von seiner eigenen Subjektivität aus und kehrt immer wieder zu derselben<br />
zurück, so daß das eigentliche Objekt der Darstellung nur als<br />
eine äußerliche Veranlassung behandelt wird, um den Witzen, Späßen,<br />
Einfällen und Sprüngen der subjektivsten Laune vollen Spielraum<br />
zu geben. Dann fällt aber der Gegenstand und dies Subjektive<br />
auseinander, und mit dem Stoff wird durchaus willkürlich verfahren,<br />
damit ja die Partikularität des Künstlers als Hauptsache hervorleuchten<br />
könne. Solch ein Humor kann voll Geist und tiefer Empfindung<br />
sein und tritt gewöhnlich als höchst imponierend auf, ist aber im ganzen<br />
leichter, als man glaubt. Denn den vernünftigen Lauf der Sache<br />
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