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Geniebegriffe - Hans-Joachim Lenger

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minologie jene Grenze, die weder "Innen" noch "Außen" kennt;<br />

eine Grenze, die als Mitteilbarkeit jeder Mitteilung vorausgeht<br />

und deshalb selbst nicht mitgeteilt, sondern nur geteilt werden<br />

kann. In gewisser Hinsicht ist diese Grenze die einer Kommunikation<br />

bis hin zum Schweigen, eines Aussetzens vor aller<br />

Setzung, einer irreduziblen Nomadik vor aller Grundlegung und<br />

Seßhaftigkeit. Die Struktur einer Genese also, die den Geniebegriff<br />

ordnet und so sehr im Innern der Kommunikation oder<br />

an ihrem äußersten Rand situiert ist, daß man sagen könnte, im<br />

Geniebegriff suche sich das Rätsel zu artikulieren, daß die undarstellbare<br />

Gemeinschaft sich doch erscheinen kann.<br />

Vor aller Mimesis aber, vor aller Möglichkeit dieses Erscheinen-<br />

Lassens und Anähnelns muß sich deshalb im Geniebegriff<br />

Kants, als Voraussetzung aller Kommunikation, die nicht mitgeteilt,<br />

sondern nur geteilt werden kann, ein Begriff der Technik<br />

eingeführt haben, von dem dann derjenige der Kunst wie auch<br />

der der Natur abhängen wird; Kant schreibt: "Denn überhaupt<br />

ist die Technik der Natur, sie mag nun bloß formal oder real<br />

sein, nur ein Verhältnis der Dinge zu unserer Urteilskraft, in<br />

welcher allein die Idee einer Zweckmäßigkeit der Natur anzutreffen<br />

sein kann, und die, bloß in Beziehung auf jene, der Natur<br />

beigelegt wird." 57 Also ist die Technik der Natur nichts, was<br />

dieser Natur "an sich" zukäme, sondern nur eine Beziehung, in<br />

der wir uns aufeinander zu beziehen suchen; eine Beziehung,<br />

die sich aber auch nicht darstellen oder gar herstellen läßt, so<br />

wie man ein Produkt herstellen mag. Sondern eine Reflexionsbeziehung,<br />

die sich im technischen Spiel der Grenze präsentiert<br />

und zurückzieht. Überhaupt handelt es sich, wo Kant den Naturbegriff<br />

einführt, nicht um einen Grund oder eine "erste Natur";<br />

er meint nicht ein Erstes, dem gegenüber die Technik ein<br />

Zweites wäre. Vielmehr ist diese Natur Schauplatz einer technischen<br />

Verschiebung, an dem allein sich darstellen oder mitteilen<br />

läßt, was als Mitteilbarkeit vor aller Mitteilung undarstellbar<br />

bleiben muß. "Also", schreibt Kant deshalb, "ist die Urteilskraft<br />

eigentlich technisch; die Natur wird nur als technisch vorgestellt,<br />

so fern sie zu jenem Verfahren derselben zusammenstimmt<br />

und es notwendig macht". 58<br />

Wenn also im Ausgang von jener einzigartigen Riskanz, die die<br />

Frage der Kunst bei Kant erfahren hat, ein Blick auf unsere Situation<br />

möglich ist, dann deshalb, weil die Beziehungen von<br />

Nomadischem und Territorialem, von Entzug und Grundlegung,<br />

von Kunst, Genie, Technik und Gemeinschaft sich heute in ei-<br />

57 Immanuel Kant, Erste Fassung der Einleitung in die Kritik der Urteilskraft,<br />

ebd., S.34<br />

58 ebd. S.33<br />

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