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Geniebegriffe - Hans-Joachim Lenger

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ner einzigartigen Krise zu bewegen scheinen; aber, wie sich<br />

dann auch zeigt, in einer Krise, die nicht etwa unvermittelt eingebrochen<br />

wäre, sondern die als "Grenze" stets schon entgrenzt<br />

hat, was sich immer nur im nachhinein zu fundamentalisieren<br />

oder zu begründen suchen kann. Die Spur eines Technikbegriffs,<br />

die sich Kants Kritik einschrieb, erlaubt es nämlich,<br />

im Innern des personalen Geniebegriffs, der die Diskussion um<br />

die Kunst immer noch wie ein gespenstischer Schatten begleitet,<br />

jene technische Struktur zu entziffern, in der wir uns verhalten,<br />

ohne uns schon zueinander verhalten zu können. Eine<br />

Struktur also, die das Paradox eines "Zusammen und Noch-<br />

Nicht" wahrt, wie Blanchot sagt, ohne daß sie aber das "Noch-<br />

Nicht eines Zusammen" in Aussicht stellen würde. Aber diese<br />

technische Struktur erlaubt es eben nicht nur, die Erosion eines<br />

personalen Geniebegriffs wahrzunehmen und zu beschleunigen;<br />

eine Erosion, die im übrigen immer neu und erschreckend<br />

deutlich wird, wenn etwa göttergleich sich gebärdende Künstler<br />

auf den Monitoren der elektronischen Telekommunikation erscheinen.<br />

Diese technische Struktur erlaubt es zugleich, eine<br />

Erosion der Rede von den Grundlagen, den Grundfragen und<br />

den Grundlehren zu beschleunigen, die ihrerseits nur Residuum<br />

eines technischen Erscheinen-Lassens sein dürfte.<br />

In der Welt des Cyberspace, die "Welt" nicht genannt werden<br />

kann, sondern die Kommunikation aus der Zäsur eines Schweigens<br />

generiert, das von den Nicht-Seßhaftigkeiten der Einbildungskraft<br />

zeugt; in einer technischen Struktur also, von der<br />

Jonas Hafner vielleicht sagen würde, sie sei das Zu-sichsprechen-Wollen<br />

der Sprache, und von der ich sagen würde, in<br />

ihr wahre sich die Gemeinschaft, indem sie sich nur darstellen<br />

kann, weil sie sich zurückgezogen hat, ist nichts fragwürdiger<br />

als die Idee des Grundes und der Grundlegung. Aber all dies ist<br />

ohne Nostalgie und ohne Wehmut zu denken; ohne den<br />

Wunsch, die Ordnung einer Benutzeroberfläche zu restaurieren,<br />

die sich in den 20er Jahren - etwa in der Bauhaus-<br />

Konzeption von Gropius 59 - aus der Opposition von mechanisch-serieller<br />

Maschine und der Handarbeit herstellte, um die<br />

59 "das hauptproblem wird darin bestehen, die wirkungsvollste verteilung<br />

der schöpferischen energien innerhalb der gesamtproduktion zu finden.<br />

der typ des intelligenten handwerkers der vergangenheit wird in der zukunft<br />

für spekulative vorarbeiten bei der herstellung industrieller waren<br />

verantwortlich sein. statt seine fähigkeiten in einem rein mechanischen<br />

vervielfältigungsprozeß zu vergeuden, wird er in experimenteller laboratoriumsarbeit<br />

und in der werkzeugentwicklung verwendung finden. sein<br />

arbeitsfeld wird ein organischer teil der produktionseinheit der industrie<br />

werden." (Walter Gropius, meine konzeption des bauhaus-gedankens, in:<br />

50 jahre bauhaus, ausstellung unter der schirmherrschaft des herrn bundespräsidenten<br />

dr.h.c. heinrich lübke, stuttgart 1968, S.15)<br />

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