Geniebegriffe - Hans-Joachim Lenger
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ein, die nicht etwa Korrelat eines Territoriums oder einer Territorialisierung<br />
ist, sondern technologisches Residuum einer unvordenklichen<br />
Nomadik. Insofern zeugen der kybernetische<br />
Raum und die kybernetische Zeit auch von einer Erfahrung, die<br />
nicht mehr "Erfahrung" in jenem Sinn genannt werden kann,<br />
den uns ein bestimmter Humanismus zu bewahren suchte,<br />
wenn er sie um die Opposition von "Innen" und "Außen" gruppierte.<br />
Und wenn ich deshalb vorschlage, diesen Verlust an<br />
Erfahrung, der alle Kategorien von Sinnlichem und Intelligiblem<br />
betreffen wird, nicht etwa als verschwundenes Objekt einer Nostalgie,<br />
einer Wehmut oder einer romantischen Rückbindung,<br />
einer Re-Ligio also zu beklagen, dann deshalb, weil wir in den<br />
virtuellen Welten des Cyberspace, im technologischen Universum<br />
der Kommunikation nur von einer Frage eingeholt werden,<br />
die früher als die früheste ist und noch der Frage nach dem<br />
"Grund" vorausgeht.<br />
Denn Cyberspace macht die Kommunikation total. In jeder<br />
Kommunikation aber verlangt etwas danach, die Gemeinschaft<br />
mit Anderen zu bedenken. Und zwar, weil die Kommunikation in<br />
gewisser Hinsicht diese Gemeinschaft "ist". Aber dieses "Sein"<br />
der Gemeinschaft "besteht" nicht etwa in der Kommunikation,<br />
denn es ist kein Bestehen oder Bestand und schon gar kein<br />
Gegen-Stand. Vielmehr entzieht sich die Kommunikation jedem<br />
Versuch, ihrer habhaft zu werden, und zwar deshalb, weil sie in<br />
einer bestimmten Hinsicht weder ein "Innen" noch ein "Außen"<br />
hat. Oder, anders gesagt: bevor sich eine Gemeinschaft begründen<br />
läßt, bevor sie sich etwa in der theologischen Ordnung<br />
der Kommunion, im politischen Projekt des Kommunismus oder<br />
in der technokratischen Struktur des Communicandum begründen<br />
und zeigen kann; bevor sie ihr Innen von einem ihr Äußerlichen<br />
abzusetzen vermag; bevor sie sich also eine Form verliehen<br />
hat, der man dann etwa in systemtheoretischen Begriffen<br />
zu Leibe rücken mag, hat sich etwas zugetragen, was weder<br />
ein "Draußen" noch ein "Drinnen" kennt. Was deshalb auch<br />
nicht als Riß gedacht werden kann, in dem sich ein "Innen" einem<br />
"Außen" öffnen würde. In seinem bewunderswerten Essay<br />
über Die undarstellbare Gemeinschaft schreibt Jean-Luc Nancy,<br />
und ich denke, hier bereits kündigt sich die Frage nach der<br />
Kunst im Innern der Kommunikation oder an ihren äußersten<br />
Rändern an: "Auch der Mund, wenn er sich öffnet, ist kein Riß.<br />
Er bietet dem 'Draußen' ein 'Drinnen' dar, das ohne diese Darbietung<br />
nicht existieren würde. Die Wörter 'entspringen' nicht<br />
der Kehle (noch dem 'Geist' 'im' Kopf): sie bilden sich bei der<br />
Artikulation im Mund. Daher ist die Rede kein Mittel der Kommunikation,<br />
sondern die Kommunikation selbst bis hin zum<br />
Schweigen - sie ist das Aussetzen (wie in jenen Gesängen der<br />
Inuit-Eskimos, die ihre Stimmen im offenen Mund eines Gegenübers<br />
erklingen lassen). Der sprechende Mund überträgt nichts,<br />
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