30.10.2013 Aufrufe

1945 - Deutschland 1933 – 1990

1945 - Deutschland 1933 – 1990

1945 - Deutschland 1933 – 1990

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>1945</strong><br />

Wer allerdings verurteilen will, dass er aus der Partei nicht austrat, als<br />

klar wurde, wohin der Zug fuhr, sollte wissen, dass es auch in der<br />

nächsten deutschen Diktatur das weitaus größere Politikum war, aus<br />

der SED auszutreten, als gar nicht erst einzutreten. Davon abgesehen<br />

wäre es auch hilfreich gewesen, wenn sich mehr SED-Mitglieder einer<br />

weiteren Mitwirkung verweigert hätten, als sie bemerkten, dass ihnen<br />

ihr Eintritt in diese Partei nicht die erhoffte Möglichkeit bot, um die<br />

Partei von innen heraus zu verändern. Dieser Zeitpunkt wäre geeignet<br />

gewesen, um zu bemerken, dass es sich schon wieder um eine Diktatur<br />

handelte, in der der Einzelne, der daran etwas ändern will, nur die<br />

Möglichkeit hat, seine eigene Person aus dem Räderwerk zu nehmen,<br />

um es auf diese Art allmählich lahmzulegen.<br />

Der Katholik Kurt G. Kiesinger entzog sich dem Staat ohne Zeitverzug<br />

und „betätigte sich nach der zweiten juristischen Staatsprüfung, die er<br />

im Sommer 1934 ablegte, als freiberuflicher Rechtsanwalt und privater<br />

Rechtslehrer (Repetitor für Staats- und allgemeines Recht an der<br />

Friedrich-Wilhelm-Universität) in Berlin. Über weitergehende Kontakte<br />

zur NSDAP oder zu einer ihrer Untergliederungen verfügte er<br />

von nun an nicht mehr. Im Gegenteil: Er vermied es tunlichst, in den<br />

Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund (NSRB) einzutreten. Das<br />

war für einen Juristen im »Dritten Reich« eine seltene Ausnahme. Sein<br />

Name wurde im Berliner Anwaltsverzeichnis nicht im umfangreichen<br />

Teil der Mitglieder des NSRB, sondern zumindest bis 1938 zusammen<br />

mit den jüdischen Anwälten im angehängten schmalen Teil aufgelistet.<br />

Für eine Karriere war das auf alle Fälle wenig förderlich.“<br />

Da konnte er sich auf alle Fälle schon einmal mit dem Phänomen der<br />

Diskriminierung der Juden auseinandersetzen. Ich weiß nicht, ob man<br />

seit 1938 ein gebürtiger Jude sein musste, um in diesen angehängten<br />

schmalen Teil hineinzukommen, oder ob Juden schon 1938 aus dem<br />

Berliner Anwaltsverzeichnis gänzlich verschwanden.<br />

Kiesinger war sicher kein Hellseher, der im Sommer 1934 wusste, dass<br />

der Spuk nur noch elf Jahre dauern würde und dass ihm der Verzicht<br />

115

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!