1945 - Deutschland 1933 – 1990
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<strong>1945</strong><br />
und Schwestern in der Bundesrepublik weiszumachen, es seien eben<br />
die Westmächte gewesen, die unser Land gespalten hätten. Nach den<br />
mir bisher zugänglichen Texten über die Jahre bis <strong>1990</strong> haben die vier<br />
Alliierten nun ihrerseits angenommen, Ost-Berlin habe einen eigenen<br />
Staat gewünscht, Bonn jedoch habe das Land nach der Ausschaltung<br />
der kommunistischen Sowjetunion vereinigen wollen. Es muss nicht<br />
gesondert betont werden, dass das in Moskau keine Freude auslöste.<br />
Ganz offensichtlich kam nicht die Erkenntnis zum Durchbruch, dass<br />
auch die Bonner Politik auf eine Spaltung hinauslief. Gustav Stolper<br />
arbeitete heraus, woran das lag: „Die Regierungen der Sieger hatten<br />
noch nicht verstanden, dass die geschichtliche Vorstellung, für die<br />
jede Nation eine eindeutige Persönlichkeit darstellte, inzwischen veraltet<br />
war. Der horizontale Schnitt, der im Gefolge von internationalen<br />
Ideologien wie Faschismus und Bolschewismus die europäischen Nationen<br />
spaltete, war ihnen noch verborgen. Lange ehe Hitlers Macht<br />
zerbrach, gab es eine deutsche Nation als Einheit nicht mehr, und dieser<br />
nationale Zerfall traf in größerem oder geringerem Maße alle Länder,<br />
in denen jene Ideologen fanatische Anhänger fanden.“ Danach gab<br />
es Faschisten und die Antifas. Verstanden haben die drei Alliierten in<br />
den demokratischen Staaten die Gesprächspartner aus der ehemaligen<br />
Diktatur wohl deshalb nur sehr mangelhaft, weil sie sicher nicht in der<br />
Lage waren, sich in das Denken von Deutschen hineinzuversetzen, die<br />
unter den Nazis in <strong>Deutschland</strong> gelebt haben und in diesen Jahren ihre<br />
lebensrettende Doppelzüngigkeit erlernt hatten. Sonst war jemand in<br />
jenen Jahren nämlich schnell weg vom Fenster. Wie der Mittzwanziger<br />
Erich Honecker.<br />
Bei Marion Gräfin Dönhoff und Franz Josef Strauß klingt an, wie sich<br />
das angefühlt hat und zu welchen rhetorischen Kunststücken Leute in<br />
der Lage sein mussten, um ihre wahre Meinung nicht zu offenbaren.<br />
Als die Diktatur ihr Leben ausgehaucht hatte, beherrschten sie dann<br />
allerdings diese Technik und dieses doppelbödige Denken, das mir als<br />
DDR-Bürger wohlvertraut ist. In einer freien Gesellschaft kann man<br />
dann alles sagen, man muss aber nicht jedem alles sagen. Andererseits<br />
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