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1945 - Deutschland 1933 – 1990

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<strong>1945</strong><br />

Einen Eindruck von seinen persönlichen Gefühlen in den dreißiger<br />

Jahren lieferte mein Namensgeber, Onkel Reinhard, der 1924 geboren<br />

wurde, in Spiegelbilder meiner Entwicklung: „Wenn in der jüngeren Vergangenheit<br />

ein namhafter Politiker [gemeint war Helmut Kohl, CDU]<br />

den Begriff der »Gnade der späten Geburt« prägte und damit meinte,<br />

Gott sei Dank in eine Zeit hineingeboren zu sein, die eine »Schuldzuweisung<br />

für die Gräuel der Nazizeit« nicht mehr zulasse, so kann bei<br />

meiner Generation wohl eher von einem »schicksalhaft gnadenlosen<br />

Geburtstermin« gesprochen werden. Mit dem politischen Umbruch<br />

<strong>1933</strong> wurden Weichen gestellt, die unsere Nation direkt ins Verderben<br />

lenkten. Als das Volk den neuen Herrschern zujubelte, waren wir noch<br />

Kinder, und so prägte mich diese Zeit nachhaltig. Frühzeitig geriet ich<br />

in einen Zwiespalt. Mein sozialdemokratisches Elternhaus lehnte das<br />

an die Macht gekommene Regime ab. Schule und Hitlerjugend verlangten<br />

von mir, der neuen Ideologie bedingungslos zu folgen; und das,<br />

obwohl uns diese Institutionen <strong>–</strong> aus heutiger Sicht betrachtet <strong>–</strong><br />

gnadenlos und systematisch auf einen Krieg vorbereiteten, der ohne<br />

den Endsieg nicht vorstellbar war. Ich kann sagen, dass die damals<br />

erlernte Maxime, etwas zu akzeptieren, was ich selbst bzw. mein<br />

Elternhaus ablehnte, sowohl meine Kindheit als auch die Zeit darüber<br />

hinaus stark beeinflusst hat.“<br />

Warum wurde diese für <strong>Deutschland</strong> historisch neue Zwangssituation<br />

für die Nachgeborenen nicht realistisch vermittelt? Warum wurde so<br />

verfahren, wie es der Journalist und der spätere Diplomat Günter Gaus<br />

beschrieben hat: „Der in der Bundesrepublik mehrheitlich anerkannte<br />

Widerstand gegen die damalige Mehrheit des deutschen Volkes, die<br />

nationalsozialistischen Bürokraten, Handlanger und Mitläufer in allen<br />

Schichten der Gesellschaft, war bald nach der Staatsgründung im Jahre<br />

1949 auf die Opposition in Stabsquartieren, auf Rittergütern und in<br />

großbürgerlichen Herrenzimmern eingegrenzt worden. So wurde der<br />

befremdliche Vorgang von Verweigerung, von Unangepasstheit für die<br />

<strong>–</strong> tonangebende, breit gewordene, in manchen Formen neuartige, in<br />

den Machtstrukturen und Abhängigkeiten jedoch weithin restaurierte<br />

<strong>–</strong> Mittelstandsgesellschaft in Kreise versetzt, zu denen man aufblicken<br />

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