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1945 - Deutschland 1933 – 1990

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<strong>1945</strong><br />

Eine Illustration lieferte Reinhard Gehlen gleich persönlich. Ihm war<br />

nicht unbekannt, dass „die Sowjets in der deutschen obersten Führung<br />

über eine gut orientierte Nachrichtenquelle verfügen mussten“, da sie<br />

„in kürzester Zeit über Vorgänge und Erwägungen, die auf deutscher<br />

Seite an der Spitze angestellt wurden, bis ins Einzelne unterrichtet“<br />

waren. Da stellte sich natürlich die Frage: Wer war es? Probieren Sie<br />

einmal die Wendungen langes Schweigen, ein Geheimnis, den Schlüssel, verhängnisvolle<br />

Rolle, aufs Sorgfältigste, die rätselhaftesten Fälle und engster<br />

Vertrauter in zwei Sätzen unterzubringen. Gehlen schaffte das: „Ich will<br />

an dieser Stelle mein langes Schweigen um ein Geheimnis brechen, das<br />

<strong>–</strong> von sowjetischer Seite aufs Sorgfältigste gehütet <strong>–</strong> den Schlüssel zu<br />

einem der rätselhaftesten Fälle unseres Jahrhunderts in sich birgt. Es<br />

ist die verhängnisvolle Rolle, die Hitlers engster Vertrauter, Martin<br />

Bormann, in den letzten Kriegsjahren und danach gespielt hat.“ Der<br />

gute Mann schrieb auch nicht: vermutlich gespielt hat. Er hat und fertig.<br />

Dazu lieferte er keinen Beweis, nichts. Spekulationen und warme Luft.<br />

Sein Text gipfelt in den Sätzen: „Zwei zuverlässige Informanten gaben<br />

mir in den 50er Jahren die Gewissheit, dass Martin Bormann perfekt<br />

abgeschirmt in der Sowjetunion lebte. Der ehemalige Reichsleiter war<br />

bei der Besetzung Berlins durch die Rote Armee zu den Sowjets übergetreten<br />

und ist inzwischen in Russland gestorben.“ Sehen Sie? Dann<br />

hat Hitlers Vertrauter alles verraten! Das macht mich sehr betroffen.<br />

Vollkommen unabhängig davon würdigte er 77 Seiten später seinen<br />

Kollegen, „den Oberstleutnant Baun, den Leiter der Dienststelle Walli I,<br />

in Bad Elster“. Hermann Baun hatte „auch zuletzt noch Verbindungen<br />

bis unmittelbar nach Moskau unterhalten können“. Während es hier<br />

wahrhaftig keiner blühenden Phantasie bedarf, in Baun die undichte<br />

Stelle zu vermuten, äußerte Meister Gehlen bei ihm noch nicht einmal<br />

einen Anfangsverdacht. Dafür lenkte er das Augenmerk seiner Leserin<br />

ohne jegliches Indiz auf den Alt-Nazi Martin Bormann, der bekanntermaßen<br />

den Bunker des Fuehrers verließ, bevor sich selbiger Fuehrer<br />

dort seines Lebens beraubte. Genau der muss es gewesen sein, der den<br />

Sowjets alles verraten hat.<br />

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