1945 - Deutschland 1933 – 1990
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<strong>1945</strong><br />
konnte, ohne sich im Verhalten und Benehmen mit ihnen vergleichen<br />
zu müssen. Ein Widerstand <strong>–</strong> nicht tatsächlich, aber in der öffentlichen<br />
Vorstellung <strong>–</strong> wie auf dem satinierten Papier der »Eleganten Welt«.<br />
Des Widerstands aus der Wohnküche, in Arbeitervierteln der Großstädte,<br />
der sich in aller Ohnmacht früher regte als der auf den Landsitzen<br />
und in Generalkommandos, wurde nach dem Kriege fast immer<br />
nur in betroffenen Zirkeln gedacht, wenig oder gar nicht von Staats<br />
wegen. Das Verschwinden des sozialdemokratischen Stadtverordneten<br />
aus der kleinbürgerlichen Nachbarschaft im Lager <strong>–</strong> das hätte selbst<br />
noch in der Erinnerung verlegen machen können.“ Und hätte, wäre es<br />
behutsam angewandt worden, heilsam gewirkt; stattdessen wurde die<br />
Erinnerung an diese Form des Widerstands verdrängt und abgewürgt.<br />
Wenn da aber viele in den deutschen Eliten, viele, die dafür in die KZs<br />
gegangen wurden, und viele, die nicht den Arsch in der Hose hatten,<br />
etwas zu unternehmen, gegen diesen größenwahnsinnigen Krieg und<br />
diesen furchterregenden Rassismus waren, so kann man mit Sicherheit<br />
nicht mehr von einem Dolchstoß reden. Dann hatte der Österreicher<br />
am Tage seiner Machtergreifung eher eine entsicherte Handgranate<br />
geschluckt. Eine Diktatur hat eben ihre eigenen Spielregeln, und es ist<br />
nicht einfach, dann brauchbare Leute zusammenzukriegen, mit denen<br />
man am Ende Pferde stehlen kann. So hat man sich das vorgestellt. Die<br />
Leute haben ruhiggehalten, also wollten sie tote Juden und den irren<br />
Krieg gegen den Rest der Welt. 98,7 Prozent.<br />
Wenn jemand mal Zeit hat, kann er mir vielleicht erklären, warum wir<br />
hier einfach kein ausgewogenes Geschichtsbild zustande bekommen.<br />
Kann man nicht sagen, dass sich in den dreißiger und vierziger Jahren<br />
bei den Deutschen ein Zivilisationskampf abspielte? Die einen waren in<br />
ihrem Übereifer zu jeder Schandtat bereit und hatten leider die Staatsführung<br />
auf ihrer Seite, und die anderen hatten leider Gottes in diesen<br />
Jahren die Staatsführung und die Justiz nicht auf ihrer Seite. Wem ist<br />
denn nur damit gedient, wenn die Ablehnung jenes völlig überhöhten<br />
Nationalismus in einer vergangenen Zeit danach zu einer pauschalen<br />
Verurteilung des Nationalstolzes führte? Sonst hätte man nach dem<br />
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