IN SCHWEDEN (SE)Die Stichprobe umfasste 103 befragte Personen in Stockholm in <strong>der</strong> Aufnahme-, Behandlungs- undBeratungseinrichtung <strong>von</strong> Médecins du Monde, die einen Abend in <strong>der</strong> Woche für Einwan<strong>der</strong>er <strong>ohne</strong>Aufenthaltsgenehmigung geöffnet ist. Lediglich 20 % <strong>der</strong> angetroffenen Personen haben an die Umfrage nichtteilgenommen – hauptsächlich da sie keine Lust hatten o<strong>der</strong> aufgrund <strong>von</strong> Sprachschwierigkeiten.Ziel des Programms ist es, die Öffentlichkeit und die Behörden über den fehlenden Zugang zu medizinischer Versorgung<strong>von</strong> Menschen <strong>ohne</strong> Aufenthaltstitel zu alarmieren und die schwedische Regierung dazu zu ermutigen, je<strong>der</strong> Person, dieauf schwedischem Boden lebt und unabhängig <strong>von</strong> ihrem administrativen Status, den gleichen Zugang <strong>zur</strong><strong>medizinischen</strong> Versorgung zu gewähren. Das Team, das sich aus Ärzten, Krankenpflegerinnen, Hebammen, Zahnärzten,Psychologen, Physiotherapeuten und Juristen zusammensetzt, unterstützt Menschen <strong>ohne</strong> Aufenthaltstitel, indem esärztliche Beratung und Behandlung, Fürsorge und Beratung für schwangere Frauen und juristischen Rat bereitstellt.Der Zugang <strong>zur</strong> <strong>medizinischen</strong> Versorgung in SchwedenIn Schweden existiert ein staatliches Gesundheitssystem, durch das die gesamte Bevölkerung abgesichert ist und das aufden Prinzipien <strong>der</strong> freien Arztwahl und auf <strong>der</strong> Gleichheit hinsichtlich des Zugangs zu medizinischer Versorgung basiert.Es wird durch Steuern finanziert. Das Gesundheitswesen in Schweden untersteht <strong>der</strong> geteilten Verantwortung zwischendem Staat, 21 Regionalräten und den Gemeinden.Erwachsene müssen sich an den Kosten <strong>von</strong> <strong>medizinischen</strong> Leistungen beteiligen mit einer Höchstgrenze <strong>von</strong> etwa100 Euro pro Jahr für medizinische Konsultationen und 200 Euro für Medikamente.Kin<strong>der</strong> <strong>von</strong> Asylbewerbern haben die gleichen Ansprüche auf medizinische Versorgung wie Staatsangehörige.Erwachsene Asylbewerber haben lediglich Anspruch auf unabdingbare medizinische Leistungen. Die Auslegung ist sehrrestriktiv, da in den meisten Fällen lediglich Notfallbehandlung und nicht, wie man denken könnte, die Betreuung <strong>von</strong>ernsthaften chronischen Krankheiten geleistet werden. Aus diesem Grund werden heute in einigen Regionen einzelneFälle untersucht.Um Gesundheitsleistungen zu erhalten, benötigt <strong>der</strong> Patient eine Identifikationsnummer.Auslän<strong>der</strong> <strong>ohne</strong> AufenthaltstitelMenschen <strong>ohne</strong> Aufenthaltstitel wurden in den Gesundheitsgesetzen bis Mai 2008 nicht erwähnt. In den zugehörigenVorbereitungstexten werden sie genannt. Sie sind vom Zugang <strong>zur</strong> <strong>medizinischen</strong> Versorgung ausgeschlossen, es seidenn, sie übernehmen sämtliche Kosten, was für die meisten jedoch unmöglich ist. Der Druck <strong>der</strong> Zivilgesellschaft(Verbände und Angehörige eines Gesundheitsberufes) hat verhin<strong>der</strong>t, dass die Behörden ein Gesetz entwickeln, dass dieBereitstellung <strong>von</strong> <strong>medizinischen</strong> Leistungen für Menschen <strong>ohne</strong> Aufenthaltstitel ausdrücklich untersagt.Um Zugang zu Gesundheits<strong>versorgung</strong> zu haben, müssen Auslän<strong>der</strong> eine Identifikationsnummer besitzen, was fürMenschen <strong>ohne</strong> Aufenthaltstitel unmöglich ist. Sie müssen also sämtliche Kosten, einschließlich <strong>der</strong> Kosten fürNotfallbehandlungen, selbst zahlen. Ein Teil <strong>der</strong> im Gesundheitswesen tätigen Personen setzt sich jedoch aushumanitären Gründen und aus Gründen <strong>der</strong> Gesundheit <strong>der</strong> Allgemeinbevölkerung darüber hinweg.Kin<strong>der</strong> <strong>von</strong> Eltern <strong>ohne</strong> AufenthaltstitelLediglich die Kin<strong>der</strong> <strong>von</strong> Eltern <strong>ohne</strong> Aufenthaltstitel, die mal als Asylbewerber gemeldet waren, haben zu den gleichenBedingungen wie die Staatsbürger Zugang <strong>zur</strong> <strong>medizinischen</strong> Versorgung. Dieses Recht steht jedoch lediglich imGesetzesentwurf (2008: 344) und nicht im Gesetzestext, über den abgestimmt wurde. Nichtsdestotrotz sollte es bei <strong>der</strong>Auslegung des Gesetzes die leitende Rolle spielen.32Bericht des European Observatory – Médecins du Monde
Die Kin<strong>der</strong> <strong>von</strong> Eltern <strong>ohne</strong> Aufenthaltstitel, die nicht Asylbewerber waren, haben denselben Zugang <strong>zur</strong> <strong>medizinischen</strong>Versorgung wie die Erwachsenen. Sie müssen für die gesamten Kosten <strong>der</strong> erhaltenen <strong>medizinischen</strong> Leistungen selbstaufkommen. Auch hier setzt sich ein Teil <strong>der</strong> im Gesundheitswesen tätigen Personen aus humanitären Gründen undzugunsten <strong>der</strong> Gesundheit <strong>der</strong> Allgemeinbevölkerung darüber hinweg.Schutz <strong>von</strong> schwer erkrankten Auslän<strong>der</strong>n (<strong>ohne</strong> tatsächlichen Zugang zu medizinischer Versorgung imHerkunftsland)Im schwedischen Auslän<strong>der</strong>gesetz (Aliens Act 716/05) ist vorgeschrieben, dass einem Auslän<strong>der</strong> nach einerGesamtauswertung seiner Situation eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden kann. Wird festgestellt, dass dieUmstände beson<strong>der</strong>s beschwerlich sind (insbeson<strong>der</strong>e unter Berücksichtigung seines gesundheitlichen Zustandes), soller die Genehmigung erhalten, in Schweden zu bleiben.Das Auslän<strong>der</strong>gesetz legt fest, dass, wenn ein Abschiebungsurteil o<strong>der</strong> eine Einreiseverweigerung „endgültig undunanfechtbar“ ist, die schwedische Einwan<strong>der</strong>ungsbehörde diese nicht durchführen kann, wenn sie durch medizinischeGründe o<strong>der</strong> durch an<strong>der</strong>e beson<strong>der</strong>e Gründe unausführbar werden. Die Dauer <strong>der</strong> bewilligtenAufenthaltsgenehmigung hängt vom dauerhaften o<strong>der</strong> vorübergehenden Charakter <strong>der</strong> Gründe ab, die diesrechtfertigen.In <strong>der</strong> Praxis ist es sehr schwierig, eine Aufenthaltsgenehmigung aus <strong>medizinischen</strong> Gründen zu erhalten, es gelingt denVerbänden jedoch mitunter, die Ausweisung zu verhin<strong>der</strong>n.IN ITALIEN (IT)Es wurden 99 Personen an drei verschiedenen Orten in Mailand befragt:• ein mobiler Dienst für wohnungslose Menschen, die häufig keinen Aufenthaltstitel haben (43 Personen)• eine Einrichtung, die sich auf die Betreuung <strong>von</strong> Drogenabhängigen spezialisiert (33 Personen)• ein Notunterkunft für Obdachlose, die abends geöffnet ist (23 Personen)Diese drei Programme werden <strong>von</strong> Partnerverbänden geleitet. Ein Allgemeinärztin <strong>von</strong> Médecins du Monde hat diegesamte Umfrage in diesen Einrichtungen durchgeführt.Der Zugang <strong>zur</strong> <strong>medizinischen</strong> Versorgung in ItalienDas italienische nationale Gesundheitssystem basiert auf einem Prinzip <strong>der</strong> Universalität und Solidarität, das imWesentlichen durch Steuern finanziert wird. Die italienische Verfassung gewährleistet das Recht auf Gesundheit und aufden kostenlosen Zugang <strong>zur</strong> <strong>medizinischen</strong> Versorgung für Bedürftige.Die Zuständigkeiten des Gesundheitswesens sind zwischen <strong>der</strong> Regierung, den 20 Regionen und den lokalenGesundheitsämtern (ASL) aufgeteilt, die für die Organisation und die Erteilung <strong>der</strong> <strong>medizinischen</strong> Leistungen imjeweiligen Gebiet verantwortlich sind.Der Basiskatalog für Leistungen, <strong>von</strong> denen ein großer Teil kostenlos zugänglich ist, wird allen Personen gewährt,vorausgesetzt, sie sind über die lokalen Gesundheitsämter im nationalen Gesundheitssystem angemeldet und besitzeneine Gesundheitskarte. Ein Teil geht zulasten <strong>der</strong> Patienten, z. B. fachärztliche Konsultationen (16 Euro) undKrankenhausaufenthalte (45 Euro), es sei denn, sie können einen Bedürftigkeitsnachweis vorlegen.Asylbewerber und <strong>der</strong>en Kin<strong>der</strong> haben die gleichen Rechte wie Staatsangehörige.Bericht des European Observatory – Médecins du Monde 33