Einwan<strong>der</strong>er sind und dass wir zahlen müssten.“ O., Angehöriger <strong>der</strong> Roma aus Albanien, seit 1 Jahr inGriechenland.> „Als ich zum Project London kam [Médecins du Monde], war ich bereits im sechsten Monat. Ich hattekeinerlei Schwangerenfürsorge und ich war bei keinem Allgemeinarzt angemeldet. Im dritten Monat <strong>der</strong>Schwangerschaft hatte ich versucht, in eine medizinische Einrichtung zu gehen, sie wollten jedoch meinenPass und wissen, ob ich Anspruch auf eine Gesundheits<strong>versorgung</strong> des nationalen Gesundheitssystemshätte. Später bin ich in ein Krankenhaus gegangen, um mich für die Entbindung anzumelden: Ich brauchteeinen Kaiserschnitt. Das Personal <strong>von</strong> <strong>der</strong> Buchhaltung verhielt sich mir gegenüber extrem aggressiv undunfreundlich. Sie sagten mir, dass, wenn ich kein Geld hätte und wenn ich nicht zahlen könne, dann müssteich gehen. Auf einmal fing eine <strong>der</strong> Verantwortlichen <strong>der</strong> Buchhaltung an, mich anzubrüllen: „Setz dich hin,sprich über Geld!“. Ich war schwanger und den Tränen nah. Sie drohte mir, mich zu verklagen, wenn ich nichtzahlen würde und dass, wenn ich versuchen würde, das Land zu verlassen, sie mich bis nach Ecuadorverfolgen würden. Ich konnte dieses Gebrüll nicht mehr aushalten und brach zusammen. Ich saß da auf demBoden wie ein Häuflein Elend und weinte. Niemand sprach mit mir. Ich versuchte, ihnen zu erklären, dass icheinfach kein Geld für die Entbindung habe, dass ich keine Arbeit und hier keine Familie habe. Ich sagte ihnen,dass ich nur mithilfe <strong>von</strong> Bezugsschreinen <strong>von</strong> 28 Euro in <strong>der</strong> Woche lebe, die ich <strong>von</strong> einer gemeinnützigenOrganisation erhalte. Sie sagten mir, ich solle die Bezugsscheine verkaufen und das Geld dem Krankenhausgeben. Ich hatte eine traumatische Entbindung und Probleme mit <strong>der</strong> Leber aufgrund <strong>von</strong> verabreichtenAntibiotika und Schmerzmitteln. Ich war fünf Monate krank und hatte solche Schmerzen, dass ich nicht mehrgehen konnte. Ich hatte Fieber, Kopfschmerzen und zitterte. Natürlich machte ich mir um mein Kind Sorgen:Wenn mir etwas passieren würde, was würde dann mit meinem Kind geschehen?“ D. Ecuadorianerin,Studentin, lebt im Vereinigten Königreich.• Ein Beispiel: <strong>der</strong> Zugang <strong>zur</strong> <strong>medizinischen</strong> Versorgung bei <strong>der</strong> letztenKrankheitsepisodeDas letzte Mal, als sie sich krank fühlten, erhielten 80 % <strong>der</strong> betroffenen Personen keine Übernahme <strong>der</strong><strong>medizinischen</strong> Leistungen 87 , <strong>ohne</strong> Unterschied hinsichtlich Geschlecht, Alter o<strong>der</strong> <strong>der</strong> familiären Situation. Die Anteilepro Land bestätigen die Analysen des vorherigen Kapitels, auch wenn sie nicht identisch sind.In Frankreich ist <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Personen, die bei ihrer letzten Krankheitsepisode und zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Umfrage keineÜbernahme <strong>von</strong> <strong>medizinischen</strong> Leistungen vorweisen konnten, ähnlich und liegt bei 90 %. Dies ist auch in Belgien <strong>der</strong>Fall (bei einigen Personen, bei denen die AMU zwischenzeitlich nicht mehr gültig war). Der Anteil ist bei den Befragten inSpanien zwischen <strong>der</strong> letzten Krankheitsepisode und zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Umfrage ähnlich (etwa 60 %)Im Vereinigten Königreich haben 10 % <strong>der</strong> Personen die Kostenübernahme medizinischer Leistungen zwischen ihrerletzter Krankheitsepisode und dem Zeitpunkt <strong>der</strong> Umfrage verloren; es kann sich um Personen handeln, die umgezogensind, <strong>ohne</strong> sich bei einem neuen Allgemeinarzt anzumelden.In Italien ist <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Personen, die bei ihrer letzten Krankheitsepisode keine Übernahme <strong>der</strong> anfallenden Kostenerhalten haben, am höchsten. Im Jahr 2004 stellte eine <strong>von</strong> MSF durchgeführte Umfrage in einer an<strong>der</strong>en Region (inKampanien) fest, dass 89 % <strong>der</strong> illegalen Einwan<strong>der</strong>er keinerlei Kostenübernahme erhalten 88 . In unserer Umfragewurden bei etwa 30 % <strong>der</strong> Personen, bei denen die Kosten für medizinische Leistungen bei ihrer letztenKrankheitsepisode nicht übernommen wurden (wie es bei den meisten <strong>der</strong> Fall ist) am Tag <strong>der</strong> Umfrage die Kostenübernommen; dies erklärt sich wahrscheinlich durch die spezielle Betreuung, die bei den teilnehmenden Programmengeboten wurde.87. Die 20 % <strong>der</strong> Stichprobe, die sich niemals krank gefühlt haben, werden <strong>von</strong> den folgenden Berechnungen nicht berücksichtigt.88. Virgilio A., Defilippi L., Moschochoritis K., Ravinetto R., „Right to health care for vulnerable migrants“, The Lancet, 2007 ; 370 : 827-28.94Bericht des European Observatory – Médecins du Monde
In Schweden entsprechen die 13 % <strong>der</strong>jenigen, bei denen die Kosten bei ihrer letzten Krankheitsepisode fürmedizinische Leistungen übernommen wurden, den Personen, die zu dem Zeitpunkt Asylbewerber waren und die,nachdem ihr Antrag abgelehnt wurde, heute <strong>ohne</strong> Aufenthaltstitel sind.Schließlich muss daran erinnert werden, dass in Griechenland keine Kostenübernahme für medizinische Leistungen,außer bei Notfall<strong>versorgung</strong>en, vorgesehen ist.69- Anteil <strong>der</strong> Personen <strong>ohne</strong> tatsächliche Kostenübernahme für medizinische Leistungen zum Zeitpunkt als siesich das letzte Mal krank gefühlt haben - nach den Län<strong>der</strong>n dargestellt, in denen die Umfrage durchgeführtwurdeIT FR SE BE UK ES EL* Gesamt*In Griechenland wurde die Frage nicht gestellt: An dieser Stelle wird an das Nichtvorhandensein <strong>von</strong> Einrichtungen für die Übernahme <strong>von</strong> <strong>medizinischen</strong> Leistungenerinnert (s. Kapitel über die theoretischen Ansprüche); auch in den Nie<strong>der</strong>landen wurde sie nicht gestellt, da die Frage <strong>der</strong> Übernahme für medizinische Leistungen bei <strong>der</strong>Einzelleistung durch den Allgemeinarzt direkt erfolgt.Bei <strong>der</strong> Frage, wie sich verhalten haben, als sie sich das letzte Mal krank fühlten, geben 71 % <strong>der</strong> einzelnen Personen an,dass sie eine im Gesundheitswesen tätige Person aufgesucht haben, was auf den ersten Blick ein zufriedenstellen<strong>der</strong>Anteil sein mag.70- Maßnahmen, die bei <strong>der</strong> letzten Krankheitsepisode ergriffen wurdenn % n %Suchte eine im Gesundheitswesen tätige Person auf 646 71,3 Holte sich Rat bei einem Apotheker 52 5,7Behandelte sich selbst 101 11,1 Unternahm nichts 51 5,6Hat sich an einen Nachbarn, einen Freund, an ein FamilienmitgliedSonstiges* 8 0,954 6,0gewendetHat einen Heilpraktiker aufgesucht 5 0,6* Die Personen haben <strong>zur</strong> Hälfte „Aufsuchen <strong>von</strong> sozialen, nicht <strong>medizinischen</strong> Diensten“ und <strong>zur</strong> Hälfte „Reise in ein Nachbarland um dort einen Arzt aufzusuchen“geantwortet (<strong>von</strong> Griechenland aus).In Wirklichkeit hängen die ergriffenen Maßnahmen stark da<strong>von</strong> ab, ob zum entsprechenden Moment eineKostenübernahme <strong>von</strong> <strong>medizinischen</strong> Leistungen besteht o<strong>der</strong> nicht. Somit haben Personen, denen eine Übernahme<strong>der</strong> <strong>medizinischen</strong> Leistungen sicher war, häufiger eine im Gesundheitswesen tätige Personen aufgesucht als Personen,bei denen keine Garantie auf eine Kostenübernahme bestand (87 % gegenüber 67 %, also20 Abweichungspunkte).Umgekehrt haben sich mehr Personen, die keine Kostenübernahme für die <strong>medizinischen</strong>Leistungen erhalten, selbst behandelt (13 % gegenüber 2 % <strong>der</strong> Personen, die eine Kostenübernahme erhalten). DiePersonen, denen die Kostenübernahme sicher war, haben darüber hinaus eher eine öffentliche Einrichtung (46 %)o<strong>der</strong> die Notaufnahme eines Krankenhauses (40 %) aufgesucht als spezielle medizinischeGesundheitseinrichtungen (15 %), während die Personen, <strong>der</strong>en Behandlungskosten nicht übernommen wurden,hauptsächlich spezielle Einrichtungen für Personen aufgesucht haben, die <strong>von</strong> <strong>der</strong> Gesundheits<strong>versorgung</strong>ausgeschlossen sind 89 (57 % 90 ).89. Es handelt sich um Dienste, die sich an schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen richten, wie z. B. Personen, die vom Gesundheitssystem ausgeschlossen sind,wohnungslose Personen… Es handelt sich um Einrichtungen o<strong>der</strong> um Verbandsprogramme (wie das <strong>von</strong> MDM o<strong>der</strong> <strong>von</strong> an<strong>der</strong>en Nichtregierungsorganisationen), son<strong>der</strong>nbeispielsweise auch um die Bereitschaftsdienste für den Zugang zu medizinischer Versorgung (PASS) in den französischen öffentlichen Krankenhäusern, o<strong>der</strong> den britischenWalk-in Centers.Bericht des European Observatory – Médecins du Monde 95