8. DER GESUNDHEITSZUSTAND• Subjektiv empfundener GesundheitszustandEs ist bekannt, dass <strong>der</strong> <strong>von</strong> einer Bevölkerungsgruppe subjektiv empfundene Gesundheitszustand ein subjektiverIndikator ist. Jedoch zeigt die Mehrheit <strong>der</strong> Studien (sofern bezogen auf die Allgemeinheit und nicht auf das Individuum)eine gute Korrelation zwischen diesem Indikator und den objektiven Indikatoren (und/o<strong>der</strong> <strong>medizinischen</strong> Indikatoren)<strong>der</strong> Gesundheit 59 . Innerhalb <strong>der</strong> gesamten befragten Bevölkerungsgruppe schätzt ein Drittel <strong>der</strong> Männer (34 %) undein Viertel <strong>der</strong> Frauen (23 %) die eigene Gesundheit als schlecht o<strong>der</strong> als sehr schlecht ein. Dieser Anteil ist verglichenmit Selbsteinschätzungen <strong>der</strong> nationalen bzw. europäischen Allgemeinbevölkerung, denen diese Zahlengegenübergestellt werden, sehr hoch.Auch wenn beachtliche Unterschiede hinsichtlich <strong>der</strong> Verteilung dieses Indikators zwischen den verschiedeneneuropäischen Län<strong>der</strong>n bestehen (die einen doppelten Nord-Süd- o<strong>der</strong> West-Ost-Gradienten aufweist 60 ), geben die inunserer Umfrage befragten Einwan<strong>der</strong>er <strong>ohne</strong> Aufenthaltsgenehmigung 3-mal häufiger als die europäischeBevölkerung <strong>der</strong> 25 Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> Union an, dass sie sich in einem schlechten o<strong>der</strong> in einem sehr schlechtenGesundheitszustand befinden; 4- bis 7-mal häufiger als die Belgier und 16-mal häufiger als die Deutschen 61 .Wir konnten die Einschätzung des eigenen Gesundheitszustands <strong>von</strong> legalen Einwan<strong>der</strong>ern nicht systematisch mit jenerEinschätzung <strong>der</strong> Menschen <strong>ohne</strong> Aufenthaltstitel vergleichen, da gerade die Angaben <strong>der</strong> zuletzt genannten Gruppe inden meisten europäischen Län<strong>der</strong>n ziemlich fragmentarisch sind. In <strong>der</strong> wissenschaftlichen Literatur existieren in Europatatsächlich weniger repräsentative Umfragen über den Gesundheitszustand <strong>von</strong> Einwan<strong>der</strong>ern. Eine schwedischeStudie 62 aus dem Jahr 2006 (über die im Jahre 1996 anhand <strong>der</strong> ersten nationalen schwedischen Umfrage über dieEinwan<strong>der</strong>er erhobenen Daten) stellte fest, dass, unabhängig <strong>von</strong> <strong>der</strong> Altersklasse, die Anzahl <strong>der</strong> kurdischenEinwan<strong>der</strong>er, die einen schlechten Gesundheitszustand angeben, doppelt so hoch war, wie die <strong>der</strong> Schweden und sogardreimal so hoch bezogen auf die Frage nach Schlafstörungen. In einer Umfrage , die über einen Zeitraum <strong>von</strong> über zehnJahren (2002-2003) durchgeführt wurde, geben die eingewan<strong>der</strong>ten Personen 63 in Frankreich einen weniger gutenGesundheitszustand an als die Franzosen, die in Frankreich geboren wurden. Die gestörten sozioökonomischenBedingungen dieser Bevölkerungsgruppen erklären diesen als schlechter eingeschätzten Gesundheitszustandteilweise. 64 Ähnliche Aussagen trifft auch die Studie <strong>von</strong> 2005, die bei einer repräsentativen Stichprobe <strong>von</strong>Einwan<strong>der</strong>ern im Baskenland in dem Jahr durchgeführt wurde 65 .59. Kaplan G.A., Goldberg D.E., Everson S.A. et al., „Perceived health status and morbidity and mortality : evidence from the Kuopio ischaemic heart disease risk factor study“, IntJ Epidemiology 1996, 25: 259-65; DeSalvo K.B., Bloser N., Reynolds K., He J., Muntner P., „Mortality prediction with a single general self-rated health question: a meta-analysis“, JGen Internal Med 2005, 21: 267-75.60. Carlson P., „Self-perceived health in East and West Europe: another European health divide”, Soc Sci Med 1998, 46: 1355-66.61 Angaben aus National Health Interview Surveys (round 2004), Eurostat, 200762. Taloyan M., Johansson L.M., Johansson S.E., Sundquist J., Koctürk T.O., „Poor self-reported health and sleeping difficulties among Kurdish immigrant men in Sweden“,Transcult Psychiatry 2006, 43: 445-61.63. Also im Ausland geborene Auslän<strong>der</strong>, unabhängig da<strong>von</strong>, ob sie nun Franzosen sind o<strong>der</strong> nicht.64. Dourgnon P., Jusot F., Sermet C., Silva J., „La Santé perçue des immigrés en Frankreich“, Paris, Irdes, Questions d’économie de la santé, 2008, n 133.65. Rodriguez E., Lanborena N., „Encuesta de salud de los diferentes colectivos de inmigrantes asentados en la Comunidad Autónoma del País Vasco“, Université du Paysbasque et Médicos del Mundo-Munduko Medikuak, Spanien, 2006.78Bericht des European Observatory – Médecins du Monde
55- Verteilungen des subjektiv empfundenen Gesundheitszustands in <strong>der</strong> Allgemeinbevölkerung <strong>der</strong> 11 Län<strong>der</strong>,in denen die Umfrage durchgeführt wurde, in <strong>der</strong> Europäischen Union insgesamt** und in <strong>der</strong> Stichprobe <strong>von</strong>befragten Menschen <strong>ohne</strong> Aufenthaltstitel (in %)BE CH DE EL ES FR IT NL PT SE UK Gesamt*** EU 25*Sehr gut Gut Durchschnittlich Schlecht Sehr schlecht* Land <strong>der</strong> europäischen Union, ** Quelle: National Health Interview Surveys (round 2004), Eurostat, 2007, *** Gesamt ergebnis <strong>der</strong> Umfrage.Im Gegensatz zu dem, was in <strong>der</strong> allgemeinen Bevölkerung festgestellt wird, ist <strong>der</strong> Gesundheitszustand <strong>der</strong> in dieserUmfrage befragten Männer laut Selbsteinschätzung schlechter als die <strong>der</strong> Frauen und zwar unabhängig <strong>von</strong> <strong>der</strong>Altersgruppe, mit Ausnahme <strong>der</strong> Altersgruppe <strong>von</strong> 55 Jahren, in <strong>der</strong> etwa ein Drittel <strong>der</strong> Frauen angibt, dass sie sich ineinem sehr schlechten Gesundheitszustand befinden. Die Selbsteinschätzung <strong>der</strong> Männer, sich in einem schlechterenGesundheitszustand zu befinden, bestätigt auch eine kürzlich durchgeführte Studie in <strong>der</strong> Allgemeinbevölkerung inBarcelona (die Einwan<strong>der</strong>er <strong>ohne</strong> Aufenthaltsgenehmigung wurden jedoch nicht speziell untersucht) 66 .Der Gesundheitszustand verschlechtert sich normalerweise mit dem Alter. An dieser Stelle muss betont werden, dass27 % <strong>der</strong> Männer und 12 % <strong>der</strong> Frauen jüngeren Alters (18-25 Jahre) bereits einen schlechten o<strong>der</strong> sehr schlechtenGesundheitszustand angeben.66. Borrell C., Muntaner C., Solè J., et al., „Immigration and self-reported health status by social class and gen<strong>der</strong>: the importance of material deprivation, work organisation andhousehold Labour“. J Epidemiol Community Health, 2008, 62: e7.Bericht des European Observatory – Médecins du Monde 79