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A R B E I T S B E R I C H T E - Geographisches Institut

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Jahre der Eroberung von den Machthabern durchgesetzt und durch das spätere Gesetz nur noch schriftlich<br />

festgelegt. Allerdings hatte man in früheren Zeiten keine Rücksicht genommen auf die Belange der Indianer. So<br />

kommt es, daß entgegen der königlichen Weisung aus Spanien die meisten der bedeutenden mexikanischen<br />

Städte an der Stelle ehemaliger, von den Spaniern zerstörter indianischer Siedlungen entstanden sind. So<br />

wurde zum Beispiel Tenochtitlán, das spätere Mexiko City, bereits am 13. August 1521, also noch während der<br />

Herrschaft von Karl V., von Cortés erobert und zerstört, da dieser beschlossen hatte, hier die Hauptstadt<br />

Neuspaniens zu errichten. Im Jahre 1573, dem Zeitpunkt oben genannter Gesetzgebung, war Mexiko City bereits<br />

eine florierende koloniale Metropole mit dem Sitz des Vizekönigs, der Würde eines Erzbistums und einer<br />

Universität. Die Forderungen Philipps zum Schutze der Indianer sind also als Geste zu verstehen, die indigene<br />

Bevölkerung nicht vollends ausrotten zu wollen.<br />

Bei der Anlage der Stadt sollte zuerst der Grundriß derselben auf das Gelände übertragen werden. Dabei war<br />

vom zentralen Platz auszugehen, da von ihm später auch alle Straßen ausgehen sollten. Außerdem war darauf<br />

zu achten, daß genug Platz vorhanden war, um die Stadt jederzeit unter Beibehaltung des Musters erweitern<br />

zu können.<br />

Die Größe der zentralen Plätze (Länge = 1,5 x Breite) wurde so festgelegt, da sich diese Ausmaße am günstigsten<br />

f ür Veranstaltungen mit Pferden und f ür Feste darstellten. Hierdurch wird klar, f ür welchen Zweck die<br />

Plätze von vornherein gedacht waren. Die Festlegungen Philipps hatten aber auch schon ein dynamisches<br />

Moment. So sollte die Größe des Platzes angelehnt werden an die Einwohnerzahl der jeweiligen Stadt. Dabei<br />

wurde explizit darauf hingewiesen, daß die Städte weiterwachsen sollten. Die zukünftige Entwicklung der Stadt<br />

wurde also bei der Planung ihres Grundrisses mit in Betracht gezogen. Auch waren Ober- und Untergrenzen f ür<br />

den Platz angegeben. Seine Breite durfte 200 Fuß nicht unter- und 500 Fuß nicht überschreiten; die Länge mußte<br />

zwischen 300 und 800 Fuß liegen. Von jeder Ecke des Platzes gehen jeweils zwei Straßen ab. Nur bei größeren<br />

Plätzen nahmen zusätzlich Hauptstraßen ihren Anfangspunkt in der Mitte einer jeden Seite des Platzes. Die<br />

vier Ecken des Platzes zeigen in die vier Himmelsrichtungen. Dieses hatte einen einfachen Grund und zwar den,<br />

daß die Winde aus den Hauptwindrichtungen nicht direkt in die Straßen hineinwehen konnten.<br />

Allerdings ist auch hier wieder zu beobachten, daß sich diejenigen Städte, die vor dem Gesetzeserlaß gegründet<br />

wurden, nicht ganz in dieses Muster einfügen. So zeigen zum Beispiel in Mexiko City die Seiten des Zócalo und<br />

nicht seine Ecken fast exakt in die Hauptwindrichtungen.<br />

Die Hauptkirchen der Städte bzw. ihre Kathedralen liegen entweder an der Nord- (Mexiko City) oder an der<br />

Südseite (Puebla) des Zócalo, wobei ihr Mittelschiff parallel zur Längsseite des Platzes verläuft und die Altäre<br />

nach Osten zeigen. Das Gesetz Philipps II. allerdings legte fest, daß das gesamte Straßennetz gegen die<br />

Hauptwindrichtung um 90° zu drehen sei. So kommt es auch, daß zum Beispiel die „Nordseite“ des zentralen<br />

Platzes von Nordwest nach Südost verläuft. Somit zeigen auch die Altäre der Kirchen nicht wie in Europa nach<br />

Osten, sondern nach Südosten. Zutreffen tut dies allerdings nur auf die Städte, die tatsächlich nach dem Erlaß<br />

Philipps geplant und gegründet wurden.<br />

Die Gebäude, die neben der Kirche und dem Palast den Platz umgeben, besitzen meist Arkadengänge. Auch<br />

dies wurde per Gesetz verlangt, da die Säulengänge f ür die Personen, die dort zusammenkommen und Handel<br />

treiben sollten, von großem Nutzen waren.<br />

Die Weisung Philipps beinhaltete auch, daß in den neu zu bauenden Städten die Grundstücke, die genau an den<br />

Platz grenzten, nicht an Privatpersonen vergeben werden durften; sie sollten der Kirche und dem Staat<br />

vorbehalten bleiben. Auch waren die Geb äude der kirchlichen und staatlichen Administration diejenigen, die<br />

zuerst errichtet werden sollten. Die übrig bleibenden Baugrundstücke sollten unter den Personen, die einen<br />

Anspruch darauf hatten, verlost werden. Grundstücke, die dann noch immer nicht vergeben waren, wurden<br />

dazu bestimmt, für später ankommende Kolonisten aufgehoben zu werden.<br />

Außerdem enthielt das Gesetz Angaben über die Breite der Straßen, die Lage von Hospitälern und Kirchen<br />

sowie eine ganze Reihe anderer Vorschriften, die f ür die damalige Zeit nicht nur recht detailliert, sondern auch<br />

überraschend modern wirken. Nicht zu übersehen ist, daß diese Regeln aus der mittelalterlichen Tradition<br />

stammen. Denn auch im 13. und 14. Jahrhundert wurden in Europa Städte schon nach ähnlichen Grundsätzen<br />

errichtet. Die geometrische Regelmäßigkeit der Anlagen läßt auch die Verbindung mit der Kultur der Renaissance<br />

erkennen. Im alten Europa hatte man sehr schnell gesehen, wie neue produktivere Techniken, die nicht<br />

zuletzt die Entwicklung hin zum Frühkapitalismus ermöglicht hatten, keinen Platz mehr fanden in den alten<br />

städtischen Strukturen. In der Neuen Welt sollten die idealen Voraussetzungen geschaffen werden f ür einen<br />

Lebensalltag, der sich immer mehr zu technisieren schien.<br />

Die koloniale lateinamerikanische Stadt läßt sich also anhand folgender Faktoren idealtypisch charakterisieren:<br />

Zum Ersten waren die neu gegründeten Städte vielfach überdimensioniert oder wirkten zumindest so. Anders<br />

als in Europa plante man nicht, die Stadtflächen von Anbeginn vollständig zu bebauen, sondern die Grundstücke<br />

wurden den Besitzern überlassen und diese konnten darauf bauen, wann und auch wie sie wollten. Dadurch<br />

entstanden auf den recht großzügigen Grundstücken oft sehr kleine Gebäude, die wenig Fläche beanspruchten<br />

und oft auch nicht über ein Stockwerk hoch waren. Diese niedrige Bebauung findet man in den weniger<br />

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