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A R B E I T S B E R I C H T E - Geographisches Institut

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entwickelten Städten Lateinamerikas noch heute. Zum Zweiten mu ßte die Stadt wachsen können, und da man<br />

nicht wußte, wie sich die einzelnen Ortschaften in Zukunft entwickeln würden, behielten die Stadtanlagen immer<br />

einen etwas provisorischen Charakter. Immer wenn die Notwendigkeit bestand, konnte die Stadt durch das<br />

Anfügen weiterer Häuserblocks in alle Richtungen ausgedehnt werden. Möglich war diese Entwicklung, da keine<br />

Notwendigkeit zu wehrhaften Stadtbefestigungen bestand, da Angriffe feindlicher Mächte recht unwahrscheinlich<br />

waren, jedenfalls im Inneren der Kontinente. Außerdem hatten die mittelalterlichen Stadtbefestigungen,<br />

wie Mauern und Gräben, bei den neuen Kriegstechniken bereits ihren Nutzen verloren, wie das neuzeitliche<br />

Mitteleuropa während des Dreißigjährigen Krieges schmerzlich erfahren mußte. Eine Ausnahme hiervon bildeten<br />

die portugiesischen Küstenstädte (z.B. San Salvador de Bahia) und auch strategisch wichtige Küstenstädte<br />

des spanischen Lateinamerikas (Acapulco). Diese wurden - vor allen Dingen, um sie gegen die Angriffe von<br />

Piraten zu sichern - ab dem 17. Jahrhundert befestigt. Ansonsten aber zeichnete sich die Stadt Lateinamerikas<br />

dadurch aus, daß sie sich weit weniger als die europäischen Städte von ihrem Umland abzeichnete. Die relative<br />

Weitflächigkeit der Siedlung, die breiten Straßen, freien Plätze, die relativ spärliche Bebauung und die<br />

Flexibilität der Grenzen trugen zu diesem Eindruck bei. Erforderlich wurde diese Struktur der Stadt nicht zuletzt<br />

dadurch, daß ihre ökonomische Grundlage vielmehr in der Landwirtschaft lag, als dies in Europa der Fall war.<br />

Als drittes Charakteristikum der Städte der Neuen Welt ist zu sehen, daß sie von spanischen Bürokraten<br />

geplant wurden, die fern ab der tatsächlichen Gegebenheiten ihre Entscheidungen trafen. Paßten sich in Europa<br />

die Siedlungen in das Relief ein und richteten ihre Struktur noch nach den nat ürlichen Gegebenheiten aus, so<br />

wurde es in Amerika unmöglich, die Städte der jeweiligen Landschaft anzupassen. Auch diese trug dazu bei,<br />

daß sie weniger komplex waren als die Städte Europas. Allerdings ist anzumerken, daß dieses Muster der<br />

Stadtentwicklung sehr erfolgreich war. Bis ins 19. Jahrhundert hinein entwickelten sich die Städte Lateinamerikas<br />

fast ausschließlich nach dieser Idee und es entstanden so einige der größten Metropolen der Erde. Auch<br />

moderne Stadtentwicklungspläne, nicht nur in Amerika, weisen bis heute häufig Elemente dieser auf Technisierung<br />

ausgerichteten Stadtstruktur auf.<br />

Im Stadtzentrum, in der Nähe des Zócalo also, findet man oft noch Häuser, die den nicht gerade bescheidenen<br />

Reichtum ihrer Besitzer widerspiegeln. Prunkvolle Patiohäuser mit reich geschmückten Innenh öfen kann man<br />

zum Beispiel auch in Puebla betrachten. Heute sind diese Häuser mit den Höfen oft Teile des öffentlichen<br />

Raums, das heißt, sie sind entweder im Eigentum des Staates oder der Gemeinde, oder sie sind als Restaurants<br />

oder ähnliches einem breiten Publikum zugänglich, während ihre Pracht in früheren Zeiten nur den Wohlhabenden<br />

diente. Wo die Patiohäuser heute durch mehr oder weniger finanzkräftige Investoren erhalten werden<br />

(z.B. Banken, Versicherungen), weisen sie noch immer die alte Pracht auf und sind typisch f ür die Innenstädte<br />

der kolonialen Siedlungen Lateinamerikas. Meist jedoch sind auch hier die Gestalter einen Kompromiß eingegangen<br />

zwischen dem Althergebrachten und modernen Stilelementen. So sind zum Beispiel viele der Höfe heute<br />

mit Glas überdacht, was ihren praktischen Nutzen erheblich steigert. Dort allerdings, wo sich kein Investor<br />

gefunden hat, ist eine Degradation dieser Häuser zu beobachten. Diese Tatsache stellt einen fatalen kulturellen<br />

Verlust dar. Allerdings ist auch in diesen Häusern ein Prozeß der Tertiärisierung beobachtbar. Dabei handelt es<br />

sich aber um Branchen des tertiären Sektors, deren Angebot minderer Qualität ist und die nur<br />

Publikumsströme mit geringer Kaufkraft erzeugen. Große Bedeutung haben f ür den Erhalt der historischen<br />

Innenstadt auch die Banken und die Universität erlangt. Diese <strong>Institut</strong>ionen sorgen sehr gut f ür die Substanz der<br />

Häuser, die in ihrem Besitz sind.<br />

Denkmalschutz in Puebla<br />

Im historischen Stadtkern wohnen in heutiger Zeit ca. 70.000 Menschen. Sie gehören, nach dem Wegzug der<br />

Bürgerschicht, meist den sozial und ökonomisch schwächeren Schichten an. Viele der ehemals nur einer Familie<br />

dienenden Häuser werden heute von 10 bis 30 Familien bewohnt. Dabei steht nicht selten einer Familie nur ein<br />

Raum zu, in dem das gesamte häusliche Leben stattfindet. Besonderer Mangel besteht hier in der Qualität der<br />

sanitären Einrichtungen. Nicht selten teilen sich 15 Personen eine Toilette. Eine solche Situation ist der<br />

Bausubstanz im Stadtkern nicht zuträglich. Somit steht der Denkmalschutz in Puebla vor sehr großen Problemen<br />

und das, obwohl schon sehr früh erkannt wurde, daß es sich hier um etwas Schützenswertes handelt.<br />

Bereits im Jahre 1938 wurde die Stadt durch den Staat Puebla zum regionalen Baudenkmal erklärt. Der zu<br />

diesem Gebiet gehörende Stadtkern umfaßt eine Fläche von 6,99 km 2 und ist in 391 Baublocks eingeteilt. Insgesamt<br />

befinden sich hier 2.619 Baudenkmäler, von denen 18 aus dem 16. Jahrhundert stammen. Ab den 30er<br />

Jahren wurden die Bestimmungen zum Denkmalschutz schrittweise immer feiner. So wurde zum Beispiel recht<br />

bald eine Satzung erlassen, die die Verwendung von Reklame an den historischen Gebäuden regelte. Im Jahre<br />

1977 erfolgte ein Erlaß des Präsidenten, in dem Puebla zur Zona Monumental ernannt wurde. Aber dies alles<br />

konnte den Verfall und die Zerstörung der Baudenkmäler nur wenig aufhalten. Was wohl in erster Linie daran<br />

lag, daß alle Maßnahmen ohne nennenswerte finanzielle Hilfe auszukommen hatten. Erst die Aufnahme der<br />

Stadt in die Liste des Kulturerbes der Menschheit durch die UNESCO im Jahr 1987 brachte in dieser Hinsicht<br />

Änderung. Nun wurden umfangreichere finanzielle Mittel frei, um die Innenstadt zu erhalten. Schwierigkeiten<br />

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