A R B E I T S B E R I C H T E - Geographisches Institut
A R B E I T S B E R I C H T E - Geographisches Institut
A R B E I T S B E R I C H T E - Geographisches Institut
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
eits im 16. Jahrhundert kam es in der Stadt zur Ausbildung einer gewerblichen Produktion, der Seidenweberei,<br />
die jedoch mit dem Eintreffen chinesischer Seide einem schnellen Ende entgegenging. Abgemildert wurde dieser<br />
rasche Zerfall der Seidenindustrie im 17. Jahrhundert durch eine verstärkte Hinwendung zur Verarbeitung von<br />
Wolle. Erst im 18. Jahrhundert gewann das baumwollverarbeitende Gewerbe f ür die Stadt Puebla an Gewicht<br />
und überflügelte schon bald die krisengeschüttelte Wollindustrie, die nicht mit der Konkurrenz aus der Hochebene<br />
um Mexico-Stadt, dem bajío, Schritt halten konnte.<br />
Die in Puebla verarbeitete Baumwolle stammte zum großen Teil nicht aus der Region selbst, sondern aus den<br />
tiefer gelegenen Gebieten um Veracruz, von wo aus sie mit Hilfe von Ochsenkarren und Maultieren den weiten<br />
Weg nach Puebla transportiert wurde.<br />
Zu vermuten ist, daß von der weiter im Norden angepflanzten Baumwolle - etwa in Zacatlan de la Manzan,<br />
Guachinango - ein großer Teil im Distrikt von Tlaxcala verkauft werden konnte.<br />
Neben der Textilverarbeitung gab es noch andere Gewerbe in Puebla, die f ür den gesamten Markt Nueva<br />
Espanas produzierten. Diese besch äftigen sich unter anderem mit der Herstellung von Seife, von Steingutwaren,<br />
der Verarbeitung von Eisen zu landwirtschaftlichen Geräten und Waffen sowie mit der Fertigung von<br />
Glas. 7<br />
Die Industrialisierung der Textilbetriebe<br />
Noch während der Kolonialzeit waren Textilien in Mexiko in Werkstätten, den sogenannten obrajes, auf Handwebstühlen<br />
hergestellt worden. Mit der Industrialisierung des Landes wurden diese durch Wasserkraft betriebene<br />
Textilfabriken abgelöst. Die erste dieser fabricas modernas war 1835 in Puebla von Estevan de<br />
Antunado am Río Atoyac eröffnet worden: „La Constancia Mexicana“, die erste mit Wasserkraft betriebene<br />
Textilfabrik Lateinamerikas. Neben dieser entstanden weitere Fabriken, auch am Río San Francisco. Im<br />
zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts gab es in Puebla 36 fabricas modernas, die dazugehörigen Maschinen<br />
stammten aus England und Nordamerika.<br />
Auch in Tlaxcala erfuhr die Textilindustrie einen Aufschwung. Im Jahre 1793 gab es in Tlaxcala 950<br />
Webstühle, die Baumwolle verarbeiteten, des weiteren gab es 190 Webstühle f ür Wolle. Die damalige<br />
Beschäftigtenzahl wird auf 6.700 gesch ätzt, eine Zahl, die fast an die Einwohnerzahl der Stadt Puebla<br />
heranreichte. 1840 eröffnete in Tlaxcala die erste Fabrik, die ihre Webstühle mit Wasserkraft betrieb. 8<br />
Der Vergleich mit anderen Städten in Mexiko zeigt, daß der Raum Puebla hinsichtlich der Produktion von Textilien<br />
an erster Stelle stand: 1853 gab es in ganz Mexiko 42 Textilfabriken. Davon lagen 14 im Staat Puebla, je<br />
sechs in Mexiko und Veracruz und je fünf in Jalisco und Durango.<br />
42<br />
1880 1910<br />
Puebla 23 % 32 %<br />
Veracruz 9 % 21 %<br />
Méxiko, D.F. 14 % 12 %<br />
Anteile der Textilindustrie an der nationalen Produktion 9<br />
1970 kam es in der Textilindustrie zu einer Krise, in deren Verlauf viele Fabriken aufgegeben wurden. Die meisten<br />
Betriebe arbeiteten mit überalterten Maschinen, von daher waren die Besitzer nur noch so lange an ihrem<br />
Weiterbestehen interessiert, wie wenigstens geringe Gewinne erzielt wurden. Bestehen blieben nur die Textilfabriken,<br />
die sich in den 60er Jahren modernisiert hatten und sich mit erheblich erhöhter Produktivität am Markt<br />
halten konnten. 10<br />
„ Toallas El Angel “- eine Textilfabrik im 20. Jahrhundert<br />
Unser Besuch bestand aus einer ungefähr einstündigen Führung durch die Fabrik, die sich auf die Herstellung<br />
von Handtüchern spezialisiert hat. Anschließend hatte sich der Besitzer Carlos BARDALES DEL CAMPO bereit<br />
erklärt, uns ein Interview zu geben.<br />
7 vgl. GERST 1988<br />
8 vgl. GAMBOA/E STRADA 1995<br />
9 Quelle: HERNANDEZ 1995, S. 5<br />
10 vgl. HERNANDEZ 1995, S. 7ff