A R B E I T S B E R I C H T E - Geographisches Institut
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Zement und wieder andere nur Rohre. Oftmals scheinen die Geschäfte gar nicht ausreichend den Lebensunterhalt<br />
der Betreiber und ihrer Familien zu sichern, so kleinteilig und segmentiert erscheinen sie. Nach objektiven<br />
Gesichtspunkten kann hier auch kein ausreichender Mehrwert erwirtschaftet werden. Demzufolge ist auch kein<br />
Kapital vorhanden, welches wieder in das Geschäft investiert werden könnte. Die Unternehmung dient also nur<br />
dem bloßen Überleben und sorgt so dennoch f ür den weiteren Verfall dieser Stadtgebiete.<br />
Puebla kann damit als ein typisches Beispiel einer mexikanischen Mittelstadt dienen. Denn in Puebla ist die<br />
traditionell angelegte Struktur noch nicht sehr stark durch die Wande rung von Menschen in die Stadt hinein<br />
überprägt. Das ist in größeren Städten wesentlich anders. Bei weiterer Degradierung der Gebiete kommt es<br />
dazu, daß die Bedingungen f ür Handelsaktivitäten zu schlecht werden. In Städten wie Puebla müßte dann mit<br />
investiven Maßnahmen das Gebiet aufgewertet werden. Nicht so jedoch in Städten, die über sehr hohe Zuwanderungsraten<br />
verfügen. Hier ist es möglich, die Häuser ohne bauliche Aufwertung weiter zu vermieten, da die<br />
mittellosen Immigranten gezwungen sind, diese nied rigen Qualitätsstandards in Kauf zu nehmen. Händler und<br />
Handwerker wiederum sind gezwungen, in Gebiete mit aussichtsreicheren Standortmerkmalen zu wandern. So<br />
kommt es zur Herausbildung von innerstädtischen Slumgebieten, wie man sie zum Beispiel in Mexiko City findet.<br />
Dies alles ist in Puebla in diesem Maße nicht anzutreffen.<br />
Bei der Abwendung einer solchen Entwicklung mag die Aufnahme der Stadt in das Weltkulturerbe durch die<br />
UNESCO maßgeblich beteiligt sein. Mit der Aufnahme ist eine Verpflichtung zum Erhalt der gesamten Stadt<br />
und ihrer historischen Strukturen verbunden. So wurde zum Beispiel ein Programm f ür den Ausbau der<br />
Infrastruktur finanzierbar, mit dem vor allem die Wasserversorgung der Bevölkerung sichergestellt werden soll.<br />
Dieses Programm gelangte aber noch nicht flächendeckend zur Umsetzung, so daß auch heute noch viele<br />
Haushalte nicht an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen sind und ihren Bedarf über Händler decken<br />
müssen, die Wasser in Flaschen oder mit Tankwagen anbieten.<br />
Durch die Aufnahme in das Weltkulturerbe soll der Erhalt der kolonialen Innenstadt gesichert werden. Diese wird<br />
- vergleicht man sie mit den europäischen Altstadtbereichen - klar durch die heutigen Hauptverkehrsachsen von<br />
den in neuerer Zeit entstandenen Stadtgebieten abgetrennt. Diese Verkehrsachsen umschließen die gesamte<br />
historische Innenstadt und lassen den Übergang von einer Struktureinheit in eine andere deutlich werden. Aber<br />
auch sonst wird der Unterschied schnell ersichtlich, denn jenseits der Hauptverkehrsachsen ist die<br />
schachbrettartige Anordnung der Stadt unvermittelt aufgebrochen und es werden Strukturen erkennbar, die an<br />
die natürlich gewachsenen in Europa erinnern. Die Jahrhunderte alte Vorgabe des städtebaulichen Grundrisses<br />
wurde also in diesem Jahrhundert nicht mehr durchgehalten. Dies mag daran liegen, daß die Mittelstädte<br />
Lateinamerikas und vor allem auch Mexikos im 20. Jahrhundert insgesamt drei Einwanderungswellen<br />
ausgesetzt waren und die Bev ölkerungszahl dadurch in einem Maße anstieg, mit dem die öffentliche Planung<br />
von Baugebieten nicht Schritt halten konnte. Andererseits bieten aber auch gewachsene Strukturen große<br />
Vorteile. In Puebla läßt sich die Veränderung hin zu einem eher ungeordnet erscheinenden Straßenbild am besten<br />
beobachten, wenn man sich in Richtung Nordosten bewegt.<br />
Das erste Mal wuchsen die Mittelstädte Mexikos, so auch Puebla, über die Grenzen der Altstadt hinaus, als zu<br />
Anfang dieses Jahrhunderts eine Einwanderungswelle aus Europa in das Land drang. Aus dem krisengeschüttelten<br />
Europa kamen viele Menschen, um ihr Heil vor Wirtschaftskrise und ökonomischer Not in der Ferne zu<br />
suchen. Hier waren es vor allem Spanier, die den Vorteil der gemeinsamen Sprache nutzten. Briten, Deutsche<br />
und vor allem Iren wanderten in dieser Zeit eher in die USA oder nach Canada aus. Jedenfalls war die Zahl der<br />
Immigranten aus Übersee groß genug, um die Städte über ihre Grenzen hinaus wachsen zu lassen. In den 50er<br />
Jahren erfolgte dann eine Binnenwanderung. Durch die hohen Fertilitätsraten auf dem Land und die sich gleichzeitig<br />
langsam verbessernder Lebensbedingungen stieg die Lebenserwartung der Bevölkerung an; gleichzeitig<br />
aber war die Landwirtschaft nicht in der Lage, das Überangebot an Arbeitskräften aufzunehmen, so daß viele<br />
Menschen kein Auskommen mehr fanden. Gleichzeitig setzte in Mexiko zunehmend die Industrialisierung ein; es<br />
erfolgte der Übergang von einer Agrar- zu den Anfängen einer Industriegesellschaft. Viele Menschen zogen vom<br />
Land in die Städte mit der Aussicht, dort Arbeit zu finden. Dies bestätigte sich auch in der Anfangszeit, da die<br />
noch wenig technisierte Industrie einen hohen Bedarf an Arbeitskräften hatte. Der Prozeß verstärkte sich also<br />
selbst, da nun immer mehr Menschen in die Städte drängten. Bald aber waren die Zuwächse der Bevölke rung<br />
höher als die der Arbeitsplätze, so daß durch die Immigranten letztendlich nur die ökonomische Not vom Land in<br />
die Städte transferiert wurde. In dieser Periode kam es zu einer weiteren flächenmäßigen Ausdehnung der<br />
Städte, aber auch zu einer sozialen Umstrukturierung. Der Anteil der Unterschicht nahm spürbar zu, was in<br />
größeren Städten unter anderem zu innerstädtischer Verslumung f ührte. Seit den 80er Jahren wird die heute<br />
immer noch vorhandene Binnenwanderung überlagert durch das Binnenwachstum der Städte. Die Dynamik der<br />
Bevölkerungsentwicklung f ührt dazu, daß die Zahl der Einwohner in erheblichem Maße wächst. In dieser Hinsicht<br />
befinden sich die Mittelstädte Mexikos in einer Phase, die zum Beispiel in Deutschland bereits vor dem Zweiten<br />
Weltkrieg abgeschlossen war. Hier nehmen im Gegensatz zu Mexiko die Städte in ihrer Einwohnerzahl beständig<br />
ab, wobei sie sich aber flächenmäßig ausdehnen. Die Entwicklungen in Mexiko dürfen also nicht mit den<br />
Suburbanisierungstendenzen in den entwickelten Staaten Westeuropas und Nordamerikas verwechselt werden.<br />
Mexikanische Städte wachsen in der Fläche nach wie vor aufgrund von Bevölkerungszunahme, obwohl auch<br />
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