Archäologie in Bernau bei Berlin - ABD-Dressler
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96 Wittkopp 2000, 122.<br />
97 Im Folgenden: Jungklaus 2009, 2009a.<br />
[60] Pest-Mehrfachgrab auf<br />
dem alten <strong>Bernau</strong>er Friedhof<br />
Insgesamt konnten 243 Gräber mit 252 Individuen identifiziert und anthropologisch<br />
bestimmt werden96 . Die Überzahl an Bestatteten gegenüber den Grabstellen ergibt<br />
sich aus den 32 Doppel- und Mehrfachgräbern [60].<br />
Bei der anthropologischen Bestimmung der 252 geborgenen Skelette durch W. Barth<br />
(2000) und H. Hornig (2002) konnten <strong>in</strong>sgesamt 218 Individuen altersdiagnostiziert<br />
werden. 97 Die <strong>in</strong>sgesamt hohe K<strong>in</strong>dersterblichkeit von etwa 37 % wird durch die<br />
höchste Mortalität mit etwa 22 % im Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dalter sowie e<strong>in</strong>er stark erhöhten<br />
Mortalität im K<strong>in</strong>desalter zwischen 7-12 Jahren mit etwa 15 % bee<strong>in</strong>flusst. Ursachen<br />
hierfür s<strong>in</strong>d unzureichende Hygieneverhältnisse und e<strong>in</strong>e erhöhte Anfälligkeit für<br />
Infektionskrankheiten <strong>in</strong>folge von Mangelerkrankungen. Auch die Sterblichkeitsrate<br />
der Jugendlichen von etwa 14 % ist im Gegensatz zu anderen Skelettserien im Land<br />
Brandenburg erhöht. Da die Pest im 16. Jahrhundert <strong>in</strong> <strong>Bernau</strong> mehrfach wütete und<br />
der Friedhof 1598 gar wegen Überfüllung <strong>bei</strong> e<strong>in</strong>er Pestwelle aufgegeben wurde,<br />
könnten sich unter den geborgenen Skeletten – <strong>in</strong>sbesondere die Bestattungen <strong>in</strong><br />
Doppel- und Mehrfachgräbern – auch an Pest Verstorbene bef<strong>in</strong>den. In diesen wurden<br />
fast ausschließlich die als anfälliger für Infektionskrankheiten geltenden K<strong>in</strong>der und<br />
Jugendlichen <strong>bei</strong>gesetzt. Die Skelettserie von <strong>Bernau</strong> zeigt mit se<strong>in</strong>er auffallend<br />
ger<strong>in</strong>gen Mortalität <strong>in</strong> der adulten (erwachsenen) Altersklasse mit etwa 7 %, dass<br />
nach Überw<strong>in</strong>den der Risiken im K<strong>in</strong>des- und Jugendalter die Bewohner durchaus<br />
e<strong>in</strong> höheres Alter erreichen konnten. Die verbesserte rechtliche Stellung der Bürger <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er mittelalterlichen Stadt und die mit der Ausweitung von Handel und Gewerbe<br />
verknüpften Ar<strong>bei</strong>tsmöglichkeiten <strong>in</strong> den Zünften und Gilden könnten sich auf die<br />
Lebensqualität der Bevölkerung <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er guten Versorgungslage und längeren<br />
Lebenserwartung ausgewirkt haben. E<strong>in</strong> weiterer Sterbegipfel lässt sich mit etwa<br />
19 % im fortgeschrittenen Erwachsenenalter erkennen. Demnach verstarben die<br />
<strong>Bernau</strong>er nach Überw<strong>in</strong>dung der K<strong>in</strong>dheit hauptsächlich zwischen dem 40. und<br />
60. Lebensjahr. Im Gegensatz zu verschiedenen Vergleichspopulationen wie etwa<br />
Plaue, Stadt Brandenburg, Diepensee, Tasdorf oder Berl<strong>in</strong> (St.-Georgen-, St-Marienund<br />
St.-Nikolai-Friedhof u. a. m.) wurde für <strong>Bernau</strong> e<strong>in</strong>e verhältnismäßig hohe Mortalität<br />
im senilen Alter mit etwa 9 % ermittelt. Dieses Ergebnis kann im Zusammenhang<br />
mit den wohlhabenden Zünften und Gilden gesehen werden, die für die Altersversorgung<br />
und die Krankenpflege ihrer Mitglieder und deren Angehörige aufkamen.<br />
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