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Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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klärt, nun sei der Diktator gestürzt, die <strong>Demokratie</strong> werde eingeführt, und das sei<br />

ja auch ein schönes Ergebnis. Außerdem dürften die USA ihr Gesicht nicht verlieren,<br />

und deshalb könnten sie nicht abziehen. Damit wird das Kriegführen zu einem<br />

Mittel, das sich selbst als Zweck setzt.<br />

Ein Hauptcharakteristikum der derzeitigen US-Rabulistik gegen den Iran ist die<br />

»Beweislastumkehr«: Nicht der Ankläger – hier also die USA – muss beweisen,<br />

dass der Iran etwas Rechtswidriges tut, sondern der Iran müsse beweisen, dass er<br />

nichts tut, und zwar indem er überhaupt auf Urananreicherung verzichtet. Dass er<br />

das Recht auf friedliche Nutzung der Kernenergie hat, wird dabei schlicht ausgeblendet.<br />

Und wenn der Iran die Forderungen der USA nicht erfüllt, werde er militärisch<br />

angegriffen.<br />

Hier haben wir es mit einer nächsten Stufe der Abschaffung des nach 1945 geschaffenen<br />

Staaten-Völkerrechts und seiner Ersetzung durch das »Recht des Stärkeren«<br />

zu tun, das mit demokratisch oder menschenrechtlich kaschierten Argumentationsfiguren<br />

einhergeht. Das ist die Imperien eigene Vorgehensweise. Das<br />

Römische Reich ging grundsätzlich davon aus, dass seine Kriege »gerecht« seien<br />

(bella iusta), weil die Pax Romana, der vom Reich der erreichbaren Welt nach seinem<br />

Gusto oktroyierte Friede, die natürliche Ordnung der Welt sei. Deshalb war<br />

jeder Krieg gegen das Imperium ein »ungerechter« Krieg (bella iniusta), was die<br />

Herren des Reichs bewog, sich auch zu den drastischsten Maßnahmen ermächtigt<br />

zu sehen – am Ende wurden nicht nur die Besiegten versklavt oder ermordet, auch<br />

gegnerische Städte selbst nach der Eroberung dem Erdboden gleichgemacht: Das<br />

erging nicht nur dem einst mächtigen und reichen Karthago so, sondern auch Korinth<br />

(Griechenland) und Numantia (Spanien), die sich erdreistet hatten, gegen das<br />

Reich aufzubegehren. Die Zerstörung erfolgte nicht nur tatsächlich, sondern sie<br />

sollte zugleich auf der symbolischen Ebene verdeutlichen, jeglicher Widerstand<br />

gegen das Imperium sei zwecklos. Durch das christliche Mittelalter geisterte die<br />

Idee des »gerechten Krieges« dann als der Krieg, der nicht für das Imperium, sondern<br />

im Dienste Gottes geführt wird; ein Konzept, das ebenfalls als allgemeine<br />

Selbstermächtigung angesehen wurde: Nach der Eroberung Jerusalems 1099 ermordeten<br />

die Kreuzfahrer die gesamte muslimische und jüdische Einwohnerschaft.<br />

(Im Leninismus auferstand der »gerechte Krieg« als der im Dienste der Arbeiterklasse,<br />

und der jeweilige Generalsekretär entschied, was denn das jeweils<br />

Gerechte daran sei.) Das Konzept des »gerechten Krieges« gebar in der Geschichte<br />

stets Ungeheuer. Heute kehrt es in Gestalt der »humanitären Intervention«<br />

in die politischen Auseinandersetzungen zurück.<br />

Da solche Ermessensgründe sich jeweils gegenseitig ausschließen bzw. in die<br />

Willkür des respektiven Kriegsherrn gegeben sind, schlug Immanuel Kant in seiner<br />

berühmten Schrift Zum ewigen Frieden vor, eine internationale Rechtsordnung<br />

zu schaffen, die den Frieden sichert. Im 5. Präliminarartikel lehnte er die gewalttätige<br />

Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates ausdrücklich<br />

ab: »Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines andern<br />

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