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Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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60 Prozent. Und Herr Pofalla hatte in gewisser Weise sogar Recht, war doch zumindest<br />

in Mecklenburg-Vorpommern eine wesentlich niedrigere Wahlbeteiligung<br />

befürchtet worden. Und es ist wohl der massiven Aufforderung, durch den<br />

Gang zur Urne den Einzug der NPD zu verhindern, zuzurechnen, dass die Wahlbeteiligung<br />

nicht erneut unter die magische 50 Prozent Marke fiel. Gleichwohl blieb<br />

am Wahlabend ein gewisses Unbehagen. Erschöpft sich der »Sinn« des Wählens<br />

darin, rechtsextreme Parteien aus den Parlamenten und damit aus den Medien zu<br />

halten? Und wenn sich immer mehr Menschen von dem für eine <strong>Demokratie</strong> doch<br />

so grundlegenden demokratischen Ritual verabschieden, wirft dies nicht fundamentale<br />

Fragen hinsichtlich der Legitimität der mit diesem Namen bezeichneten<br />

politischen und gesellschaftlichen Ordnung auf?<br />

Diese Fragen können hier weder detailliert entwickelt, geschweige denn beantwortet<br />

werden. Stattdessen soll der bloße Versuch unternommen werden, das Phänomen<br />

der Wahlenthaltung in eine Theorie der Postdemokratie einzusortieren. Die<br />

Ausgangsthese ist, dass wir uns heute mit einer Situation konfrontiert sehen, in der<br />

demokratische Legitimitätsvorstellungen und die mit diesen korrespondierenden<br />

Verfahren immer weniger mit der politischen Realität in Übereinstimmung zu<br />

bringen sind und zumindest teilweise einen folkloristischen Charakter bekommen.<br />

Vor diesem Hintergrund stellt der Verzicht bestimmter Bevölkerungsgruppen, von<br />

ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen, eine politisch ernstzunehmende Handlungsweise<br />

dar.<br />

Diese These soll in drei Schritten entfaltet werden. Zunächst geht es darum zu<br />

zeigen, dass es in den letzten beiden Dekaden zu einem Bedeutungsverlust demokratisch<br />

gewählter Parlamente bei gleichzeitiger Aufwertung von Expertengremien<br />

gekommen ist. Dahinter verbirgt sich die Umstellung von einem normativen<br />

auf einem kognitiven Modus der Entscheidungsfindung, wie sie Niklas Luhmann<br />

bereits vor 35 Jahren prognostiziert hat, aber erst jetzt vor dem Hintergrund komplexer<br />

Formen des Weltregierens zum Tragen zu kommen scheint. Als andere<br />

Seite der Medaille dieses Bedeutungsverlustes lässt sich die Inszenierung und Personalisierung<br />

der Politik begreifen, der ich mich in einem zweiten Schritt widmen<br />

möchte. Die Beobachtung ist hier, dass es zu einer Simulation demokratischen<br />

Handelns kommt, und zwar mit Blick auf die periodische Inszenierung von Wahlkämpfen<br />

sowie der nur scheinbar paradoxen Zunahmen von <strong>neue</strong>n Formen der<br />

Bürgerbeteiligung. Von dieser inszenierten <strong>Demokratie</strong> haben sich vor allem die<br />

sogenannten Modernisierungsverlierer verabschiedet. Dass man darin auch eine<br />

rationale Form politischen Handelns sehen kann, soll abschließend dargelegt<br />

werden.<br />

Um einem Missverständnis vorzubeugen, sei jedoch gleich zu Beginn gesagt,<br />

dass hier nicht die These vom Ende der <strong>Demokratie</strong> vertreten wird. Postdemokratische<br />

Regime zeichnen sich vielmehr durch ein komplexes und widersprüchliches<br />

Nebeneinander von demokratischen und expertokratischen, von staatlichen und<br />

privaten, von nationalen und globalen Formen des Regierens aus.<br />

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