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Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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durch die Entsendung von Militärberatern nach Georgien und durch die Einrichtung<br />

von Militärbasen im ehemals sowjetischen Mittelasien.« China wurde durch<br />

die Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad während des Kosovo-<br />

Krieges provoziert und dadurch, dass man eine für die chinesische Führung bestimmte<br />

Boeing mit leicht zu entdeckenden Wanzen versah. Derweil wurde aus<br />

dem Pentagon mitgeteilt, es werde über Nuklearschläge gegen Staaten nachgedacht,<br />

die nicht über derartige Waffen verzichten – ein eklatanter Bruch aller in<br />

diesem Bereich bestehenden völkerrechtlichen Verträge. Todds Fazit: »Die Regierung<br />

in Washington wendet damit eine klassische strategische Denkfigur an, die<br />

aber ungeeignet ist für ein Land von der Größe eines Kontinents: die ›Strategie<br />

des Verrückten‹, nach der man potentiellen Gegnern möglichst unberechenbar erscheinen<br />

sollte, weil sie das noch stärker einschüchtere.« 21 Das gilt übrigens auch<br />

für jene, die sich Freunde dünken.<br />

Zwei Gründe sieht Todd. Der erste ist die weltweite Entwicklung zur <strong>Demokratie</strong>.<br />

Er hat hier ein nachdenkenswertes Theorem entwickelt: Die Menschen lernen<br />

lesen und schreiben, auch elementares Rechnen, und ergreifen damit die Herrschaft<br />

über ihre unmittelbare Umwelt. Das Wirtschaftswachstum in Europa vom<br />

17. bis zum 20. Jahrhundert war Folge der Verbreitung von Bildung. Eben diese<br />

Entwicklungen vollziehen sich heute in Lateinamerika und weiten Teilen Asiens.<br />

Sobald auch die Frauen lesen und schreiben können, beginnt die Geburtenkontrolle.<br />

Die Menschheit befreit sich aus einem Zustand der Unterentwicklung. Dies<br />

allerdings ist in aller Regel mit einer Übergangskrise verbunden; die alten Gewissheiten<br />

gelten nicht mehr, <strong>neue</strong> noch nicht. Im Ergebnis dieser Krise kommen die<br />

Gesellschaften wieder zur Ruhe und sind demokratisch verfasst, schon deshalb,<br />

weil diese gebildeteren Menschen nicht mehr irgendwelche selbsternannten Herren<br />

über sich dulden, sondern politisch mitbestimmen wollen. Nebenbei bemerkt:<br />

Mit eben diesem Ansatz hatte Todd bereits im Jahre 1976 den Zusammenbruch der<br />

Sowjetunion und die schließliche Errichtung demokratischer Verhältnisse nach<br />

dem Kommunismus vorausgesagt.<br />

Und was bedeutet dies für die USA heute? Wenn sich die ganze Welt von sich<br />

aus demokratisiert, werden sie als »Vorkämpfer« der <strong>Demokratie</strong> überflüssig. Zur<br />

gleichen Zeit wird in den USA die <strong>Demokratie</strong> schwächer. Die oberen zwanzig<br />

Prozent der Gesellschaft, die über fünfzig Prozent der Wirtschaftskraft verfügen,<br />

haben zunehmend Schwierigkeiten, sich den Zwängen des allgemeinen Wahlrechts<br />

zu unterwerfen; es findet eine »Oligarchisierung« statt. Und was könnte<br />

dies besser belegen, als die erschlichene Machtergreifung des George W. Bush im<br />

Jahre 2000? Der kenntnisreiche Analytiker totalitärer und autoritärer Herrschaft,<br />

Juan Linz, hat vor einiger Zeit betont – nicht explizit auf die USA bezogen, doch<br />

gilt es auch hier, – <strong>neue</strong> wie alte <strong>Demokratie</strong>n seien auch im 21. Jahrhundert vor<br />

autoritärer Gefahr nicht sicher. Diese komme aber nicht mit dem Anspruch daher,<br />

21 Ebenda, S. 14.<br />

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