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Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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kanten an seine protestierenden Arbeiter. Die Dresdner Weber antworten mit Heines<br />

Weberlied von 1844:<br />

24<br />

Deutschland wir weben dein Leichentuch,<br />

wir weben hinein den dreifachen Fluch<br />

[…]<br />

Ein Fluch dem falschen Vaterlande,<br />

Wo nur gedeihen Schmach und Schande<br />

Die Dresdner Weber richten ihre Verweigerung, ihre Wut und ihre Gewaltfantasien<br />

gegen die Hegemone aus Politik und Kultur – Schröder, Köhler, Sabine<br />

Christiansen. Der goldene Wagen, in dem Christiansens Sendung ›Wutdemos im<br />

Osten – ist die Angst gerechtfertigt?‹ nachgespielt wird, wird erstürmt und zertrümmert.<br />

Köhlers »Wir sind jetzt als ein Volk gefordert« 66 zerschellt an Differenzen<br />

zwischen Elite und Ausgegrenzten, und der Hohn in den Ohren der Angerufenen<br />

wird hörbar fürs Theaterpublikum.<br />

Die Aufführungen der Dresdner Weber hatten ein großes Echo; Vorstellungen,<br />

wie etwa Gerhard Schröder in eine Laufband zu sperren, dass ihn zu einem überhöhten<br />

Arbeitstempo sinnloser Tätigkeit zwingt, unentwegt seine eigene Stimme<br />

zu hören, wie sie sagt »es gibt kein Recht auf Faulheit« ist auf spontanen Applaus<br />

und lauthalse Zustimmung gestoßen. Die Erleichterung, die alltägliche Last von<br />

Aktivierung und Demütigung nicht mehr individualisiert, sondern in die öffentliche<br />

– damit auch wieder demokratische – Aushandlung gehoben zu sehen, war<br />

förmlich greifbar.<br />

Doch die Utopien der Dresdner sind zerrissen; hier zeigt sich nicht einfach ein<br />

<strong>neue</strong>s politisches Subjekt. In den Kampf sind auch die rechtsextremen Akteure<br />

eingetreten und sie haben mit ihren völkischen Solidarkonzepten nicht wenig Erfolg.<br />

Die Collage der Utopien zwischen autoritärer gewaltsamer Beseitigung der<br />

Verantwortlichen,« Ausschaltung Aller, die über 100 000 Euro besitzen«, die<br />

»Einrichtung von Straflagern«, »Todesstrafe«, »Pranger« und andere Forderungen,<br />

die als Grundlage und Echo rechtsextremer Diskurse zu erkennen sind, und<br />

»Kommunen«, »Alle sind gleich« und »Alles für Alle und zwar umsonst« spannt<br />

das Feld für emanzipatorische Interventionen im Ringen um eine <strong>neue</strong> Lebensweisen<br />

und eine andere Gesellschaft.<br />

66 Horst Köhler: Wir können in Deutschland vieles möglich machen. A. a. O., S. 11.

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