Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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Selbst wenn nun aber der Körper durch seinen Gebrauch auf einem und für einen<br />
Markt den Prinzipien der Warenproduktion unterworfen wird, dann ist diese<br />
Vermarktung des Körpers noch nicht identisch mit entgrenzter, hemmungsloser<br />
und in der Konsequenz mit selbstzerstörerischer Kapitalisierung des Körpers.<br />
Diese Vermarktung und Ökonomisierung ist nicht einfach als kapitalistische Rebarbarisierung<br />
unserer Körperverhältnisse zu betrachten, sondern mit ihr ist auch<br />
ein zivilisatorischer Fortschritt in der Körperbeherrschung verbunden, der gerade<br />
gegen einen hemmungslosausbeutenden Hedonismus, durch den eine wirklich<br />
»freie Marktwirtschaft« am effektivsten (und brutalsten) funktioniert, gerichtet ist.<br />
Nicht schon die Warenförmigkeit entfremdet die Liebe, sondern erst bestimmte<br />
Stufen derselben infolge ihrer ungehemmten Kapitalisierung. Folglich ist nicht<br />
schon der markt- und warenförmige Gebrauch des Körpers der Kern des Problems<br />
der Verdinglichung des Leibes (und der Liebe), sondern die entgrenzte Instrumentalisierug<br />
des Körper für Verwertungsinteressen, denen dieser nur noch Mittel<br />
zum Zweck seiner Kapitalisierung geworden ist, so dass sein Selbst- und Eigenwertcharakter<br />
in der Verwertung völlig vernutzt wird. Deshalb sollte nach<br />
unserer Auffassung die Grenze der Körperinstrumentalisierung nicht als Verdinglichung,<br />
sondern als entgrenzte Kapitalisierung, als versklavende Verwertung bestimmt<br />
werden, und das Verdinglichungstheorem als theoretischer Maßstab der<br />
Kritik solch enthemmter Kapitalisierung des Körpers sollte besser als Versklavungstheorem<br />
bezeichnet werden.<br />
Kritischer Kern des Versklavungstheorems ist die Vermeidung der Entwertung<br />
und Zerstörung des Selbstwertes des körperlichen Mittels und die damit vernüpfte<br />
Negation der Achtung und Anerkennung der Würde des Menschen und seines<br />
Körpers. Damit wäre sowohl der kapitalismuskritische Kern der Verdinglichungstheorems<br />
gewahrt, und zugleich wären seine theoretischen Unzulänglichkeiten,<br />
wie die unkritische und totalisierende Verwendung der Warenform zur Erklärung<br />
moderner Körperverhältnisse oder die Gleichsetzung von Körperinstrumentalisierung<br />
und Körperkapitalisierung, von Körpertechnologisierung und Körperfetischismus,<br />
vermeidbar und in ihrem rationellen Kern aufhebbar. Das aber hat zur<br />
Voraussetzung, die Reformulierung des Verdinglichungstheorems von dem abstrakten<br />
und bei Lukács falsch zentrierten Bezug auf die Warenform zu lösen, den<br />
eindeutig ontologischen Status der Grundelemente der Warenproduktion für eine<br />
funktionierende moderne Gesellschaft im Marxschen Sinne anzuerkennen und mit<br />
Entfremdung im strengen Sinne die entgrenzte Verwertungslogik des Kapitals, die<br />
alles Menschliche zerstört, zu charakterisieren. 4<br />
Das hier formulierte Versklavungstheorem versucht also, im Gegensatz zu<br />
Lukács’ Verdinglichungstheorem, nicht schon die Warenformdominanz und die<br />
4 Ich setze mich hier mit Positionen in einem Gespräch zwischen Axel Honneth und Rüdiger Dannemann auseinander.<br />
Vgl. Rüdiger Dannemann; Axel Honneth: Reflexionen über den Klassiker des philosophischen Marxismus<br />
und das Schattenreich der philosophischen Kultur. In: Jahrbuch der Internationalen Georg-Lukács-Gesellschaft.<br />
Paderborn 1999, S. 75-79.<br />
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