18.01.2013 Aufrufe

Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Selbst wenn nun aber der Körper durch seinen Gebrauch auf einem und für einen<br />

Markt den Prinzipien der Warenproduktion unterworfen wird, dann ist diese<br />

Vermarktung des Körpers noch nicht identisch mit entgrenzter, hemmungsloser<br />

und in der Konsequenz mit selbstzerstörerischer Kapitalisierung des Körpers.<br />

Diese Vermarktung und Ökonomisierung ist nicht einfach als kapitalistische Rebarbarisierung<br />

unserer Körperverhältnisse zu betrachten, sondern mit ihr ist auch<br />

ein zivilisatorischer Fortschritt in der Körperbeherrschung verbunden, der gerade<br />

gegen einen hemmungslosausbeutenden Hedonismus, durch den eine wirklich<br />

»freie Marktwirtschaft« am effektivsten (und brutalsten) funktioniert, gerichtet ist.<br />

Nicht schon die Warenförmigkeit entfremdet die Liebe, sondern erst bestimmte<br />

Stufen derselben infolge ihrer ungehemmten Kapitalisierung. Folglich ist nicht<br />

schon der markt- und warenförmige Gebrauch des Körpers der Kern des Problems<br />

der Verdinglichung des Leibes (und der Liebe), sondern die entgrenzte Instrumentalisierug<br />

des Körper für Verwertungsinteressen, denen dieser nur noch Mittel<br />

zum Zweck seiner Kapitalisierung geworden ist, so dass sein Selbst- und Eigenwertcharakter<br />

in der Verwertung völlig vernutzt wird. Deshalb sollte nach<br />

unserer Auffassung die Grenze der Körperinstrumentalisierung nicht als Verdinglichung,<br />

sondern als entgrenzte Kapitalisierung, als versklavende Verwertung bestimmt<br />

werden, und das Verdinglichungstheorem als theoretischer Maßstab der<br />

Kritik solch enthemmter Kapitalisierung des Körpers sollte besser als Versklavungstheorem<br />

bezeichnet werden.<br />

Kritischer Kern des Versklavungstheorems ist die Vermeidung der Entwertung<br />

und Zerstörung des Selbstwertes des körperlichen Mittels und die damit vernüpfte<br />

Negation der Achtung und Anerkennung der Würde des Menschen und seines<br />

Körpers. Damit wäre sowohl der kapitalismuskritische Kern der Verdinglichungstheorems<br />

gewahrt, und zugleich wären seine theoretischen Unzulänglichkeiten,<br />

wie die unkritische und totalisierende Verwendung der Warenform zur Erklärung<br />

moderner Körperverhältnisse oder die Gleichsetzung von Körperinstrumentalisierung<br />

und Körperkapitalisierung, von Körpertechnologisierung und Körperfetischismus,<br />

vermeidbar und in ihrem rationellen Kern aufhebbar. Das aber hat zur<br />

Voraussetzung, die Reformulierung des Verdinglichungstheorems von dem abstrakten<br />

und bei Lukács falsch zentrierten Bezug auf die Warenform zu lösen, den<br />

eindeutig ontologischen Status der Grundelemente der Warenproduktion für eine<br />

funktionierende moderne Gesellschaft im Marxschen Sinne anzuerkennen und mit<br />

Entfremdung im strengen Sinne die entgrenzte Verwertungslogik des Kapitals, die<br />

alles Menschliche zerstört, zu charakterisieren. 4<br />

Das hier formulierte Versklavungstheorem versucht also, im Gegensatz zu<br />

Lukács’ Verdinglichungstheorem, nicht schon die Warenformdominanz und die<br />

4 Ich setze mich hier mit Positionen in einem Gespräch zwischen Axel Honneth und Rüdiger Dannemann auseinander.<br />

Vgl. Rüdiger Dannemann; Axel Honneth: Reflexionen über den Klassiker des philosophischen Marxismus<br />

und das Schattenreich der philosophischen Kultur. In: Jahrbuch der Internationalen Georg-Lukács-Gesellschaft.<br />

Paderborn 1999, S. 75-79.<br />

89

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!