Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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Christina Kaindl<br />
Neoliberale Produktionsweise, Mobilisierung der Subjekte<br />
und das Erstarken des Rechtsextremismus<br />
Mit dem Ende des Realsozialismus und der Überführung einiger Diktaturen wie<br />
dem südafrikanischen Regime in eine repräsentative <strong>Demokratie</strong> wird oft von<br />
einer weltweiten »Ausweitung« der <strong>Demokratie</strong> gesprochen, die aber mit einer<br />
»Entzauberung« (Claus Offe) einhergehe: der Verunsicherung vieler Menschen,<br />
ob die <strong>Demokratie</strong> ihre materiellen Grundlagen und Leistungsversprechen einlösen<br />
kann. Heitmeyer u. a. untersuchen entsprechend »<strong>Demokratie</strong>entleerung« 1 , die<br />
in verschiedenen Dimensionen operationalisiert werden und als Teil des Survey<br />
zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (GMF) aufgenommen wird. In den<br />
empirischen Ergebnissen zeigt sich, dass über 80 Prozent der Befragten der Aussage<br />
eher oder voll zustimmen, dass »letztendlich die Wirtschaft in unserem Land<br />
[entscheidet] und nicht die Politik« 2 , knapp 90 Prozent stimmen der Aussagen eher<br />
oder voll zu, dass »die demokratischen Parteien alles [zerreden] und die Probleme<br />
nicht [lösen]« 3 und über 90 Prozent, dass »die Politiker mehr dafür tun [sollten],<br />
Zweifel an der <strong>Demokratie</strong> auszuräumen« 4 . Die Autoren können Korrelationen<br />
aufweisen zur Wahrnehmung der Befragten, dass die sozialen Spaltungen zunähmen<br />
5 . Doch Korrelationen können nichts über die inneren Zusammenhänge sagen:<br />
Welche Sinnzusammenhänge stellen sich für die Einzelnen dar?<br />
Die Frage lenkt den Blick auf das »alte« Problem der Vermittlung von Struktur<br />
und Handlung, das hier von Heitmeyer weitgehend nicht gestellt, bzw. in Korrelationen<br />
aufgelöst wird. Anders gelagert ist der Versuch von Bourdieus »Elend der<br />
Welt« 6 : hier werden konkrete Strukturanalysen mit den aus Interviews entwickelten<br />
Begründungen der Menschen ins Verhältnis gesetzt. Es bleibt auch hier das<br />
Problem, dass sich Strukturaussagen und individuelle Begründungen äußerlich<br />
gegenüberstehen, auch wenn durch Einfühlung und soziale Nähe in den Interviews<br />
die Strukturen in den individuellen Beschreibungen herauspräpariert werden<br />
sollen, ohne den Betroffenen Probleme oder Sichtweisen »aufzudrängen«.<br />
Ich möchte im Folgenden die gesellschaftlichen Veränderungen mit Bezug auf<br />
ihre »den Subjekten zugewandte Seite« hin untersuchen und fragen, welche An-<br />
1 Wilhelm Heitmeyer; Jürgen Mansel: Entleerung der <strong>Demokratie</strong>. Die unübersichtlichen Folgen sind weitreichend.<br />
In: Wilhelm Heitmeyer (Hrsg.): Deutsche Zustände. Folge 2, Frankfurt/M, S. 35-60.<br />
2 Ebenda, S. 43.<br />
3 Ebenda, S. 44.<br />
4 Ebenda.<br />
5 Ebenda, S. 51.<br />
6 Pierre Bourdieu u. a.: Das Elend der Welt. Zeugnisse und Diagnosen alltäglichen Leidens an der Gesellschaft.<br />
Konstanz 1997.<br />
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