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Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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faktisch die unmittelbare Erfahrung (in der Realität), sind aber als solche ›unanschaulich‹:<br />

Ich sehe beim Kauf von Nike-Turnschuhen diesen nicht an, dass ich<br />

eine warenförmige Art der Bedürfnisbefriedigung realisiere, die von Unterschieden<br />

in den globalen Produktionsbedinungen abhängig ist, für die u. a. ungleiche Geschlechterverhältnisse<br />

und Rassismus konstitutiv sind.<br />

Meines Erachtens gilt diese Diskrepanz zwischen Rollenspielerfahrungen und<br />

Realität sowie dem Widerspruch zwischen der Anschaulichkeit sozialer Interaktionen<br />

und der Unanschaulichkeit der in sie eingehenden Strukturmerkmale von<br />

»Gesellschaft« generell, für jede mir bekannte Art von Übungen/Rollenspielen.<br />

Zugleich fehlt meiner Auffassung nach ein systematischer Austausch darüber, ob<br />

und wenn ja wie Bildungsarbeiter/innen diese Transformationsleistung in ihren<br />

Workshops realisieren. Unter inhaltlichen Gesichtspunkten wären dabei die eingangs<br />

skizzierten Zusammenhänge zwischen der neoliberalen Produktions-/Lebensweise<br />

und Autoritarismus/Rechtsextremismus mit entsprechenden individuellen<br />

Denk- und Handlungsweisen systematisch zum Lerngegenstand zu machen.<br />

Problemkomplex (2): Die falsche Entgegensetzung von Emotion und Kognition<br />

Mit der Vorliebe für Übungen/Rollenspiele geht ein zweiter Komplex einher,<br />

durch den der Anspruch, strukturelle Dimensionen von Rassismus etc. zu vermitteln,<br />

tendenziell konterkariert wird. Teilweise bevorzugen Bildungsarbeiter/innen<br />

Methoden, die auf emotionale Betroffenheit zielen gegenüber solchen, die »kognitiv«<br />

orientiert sind. Dabei wird angenommen, dass das Emotionale wichtiger,<br />

weil direkter und nachhaltiger sei. Der psychologische Grundfehler ist es, Emotion<br />

und Kognition in einen Gegensatz zu bringen und damit von den gesellschaftlichsozialen<br />

Umständen zu isolieren. Freude, Trauer oder Wut stellen sich<br />

zwar oft auch ein, ohne dass man sofort weiß, warum oder in Bezug worauf man<br />

sie empfindet. Wenn man aber daran interessiert ist, das herauszufinden, kann man<br />

diese Gefühle auf Ereignisse oder Konstellationen beziehen, in denen sie begründet<br />

sind. Dies schließt kognitive Prozesse ein.<br />

Die wichtige Konsequenz in Bezug auf Bildungsarbeit ist die Folgende: Wenn<br />

Methoden eingesetzt werden, die eher auf die Herstellung bestimmter emotionaler<br />

Zustände abzielen, entbindet das die Bildungsarbeit nicht davon, diese in Rollenspielen<br />

entstehenden Emotionen auf die Struktur der Übung zu beziehen, und in einem<br />

zweiten Schritt wiederum das Verhältnis von Rollenspielstruktur und Realität<br />

zu thematisieren. Ohne solche Vermittlungsleistungen ist die Herstellung emotionaler<br />

Zustände bei Teilnehmer/innen weder besonders tiefschürfend noch nachhaltig.<br />

Beispiel: Eine Person geht raus, die anderen bekommen den Auftrag, sich in<br />

kleinen Gruppen zusammen zu stellen, und sich zu unterhalten. Die Person, die<br />

rausgeschickt wurde, kommt wieder rein und versucht, Anschluss an eine der<br />

Gruppen zu suchen. Die Kleingruppen hatten vorher die Anweisung erhalten, der<br />

einzelnen Person den Rücken zuzukehren, den Kreis zu schließen, sich zu zerstreuen<br />

und anderen Gruppen anzuschließen usw.<br />

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