18.01.2013 Aufrufe

Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

derum über das Medium des Rechts die Gesellschaft steuert, unterbrochen wird,<br />

kritisch ist auch die Zusammensetzung der Verhandlungsverfahren zu sehen. Sind<br />

es doch zunächst und zumeist die Vertreter gesellschaftlich einflussreicher Interessen<br />

wie Großunternehmen und Gewerkschaften, mit denen sich der Staat an einen<br />

Tisch setzt. Dies erhöht die Gefahr einer Einigung auf Kosten unbeteiligter<br />

Dritter. »Damit ist das Prinzip der Gleichheit nicht nur in formaler Hinsicht, d. h.<br />

hinsichtlich der Partizipationsmöglichkeiten, sondern auch in materieller Hinsicht,<br />

d. h. bezogen auf die Chancen der Interessendurchsetzung verletzt« 5 .<br />

Dieser Wandel der Staatlichkeit ist in demokratietheoretischen Debatten nicht<br />

unwidersprochen geblieben. So wird etwa vor einer »Refeudalisierung des gegenwärtigen<br />

<strong>Demokratie</strong>verständnisses« (Maus) oder einer »affirmativen Uminterpretation«<br />

(Abromeit) gewarnt. Dies hat jedoch den weiteren Bedeutungsverlust<br />

der nationalstaatlichen Legislative nicht aufhalten können, zumal die beschriebenen<br />

Prozesse auch mit Blick auf die suprastaatliche Ebene thematisiert werden<br />

müssen. Und hier haben wir es in den letzten zwei, drei Jahrzehnten mit einer rasanten<br />

Internationalisierung der Politik zu tun.<br />

Es ist inzwischen ein Gemeinplatz, dass mit der beschleunigten globalen Interdependenz<br />

wirtschaftlicher und politischer Prozesse auch die Notwendigkeit einer<br />

suprastaatlichen Koordinierung entstanden ist. Die Entstehung und Stärkung einer<br />

Vielzahl von Regimen und Institutionen zum Zwecke einer »global governance«<br />

stellt eine Antwort auf diese postnationale Konstellation dar. Am eindrucksvollsten<br />

und am weitesten fortgeschritten ist hier sicherlich der europäische Einigungsprozess.<br />

Die Etablierung eines gemeinsamen Binnenmarktes und einer gemeinsamen<br />

Währung kann daher auch als eine notwendige Strategie, der postnationalen Herausforderung<br />

politisch standhalten zu können, angesehen werden. Dies ist jedoch<br />

mit einem erheblichen Souveränitätsverlust nationalstaatlicher Parlamente, aber<br />

auch kommunaler Organe der Selbstverwaltung verbunden. Insbesondere die<br />

durch die Europäische Kommission und dem Europäischen Gerichtshof durchgesetzten<br />

Maßnahmen einer »negativen Integration« (Scharpf), also dem Abbau von<br />

Wettbewerbsverzerrungen, erzeugen einen wirtschaftspolitischen Rahmen, der den<br />

gewählten Vertretern auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene nur wenig<br />

Spielraum für die Bereitstellung öffentlicher Güter lässt. 6 Dem steht auf der anderen<br />

Seite nur eine marginal ausgebildete demokratische Legitimation der grundlegenden<br />

europäischen Institutionen gegenüber.<br />

Ist bereits hinsichtlich der Europäischen Union von einem strukturellen <strong>Demokratie</strong>defizit<br />

auszugehen, so stellt sich das Problem auf der globalen Ebene in potenzierter<br />

Form. Auch hier ist in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl von trans<br />

5 Artur Benz: Postdemokratische <strong>Demokratie</strong>? A. a. O. S. 206.<br />

6 Nicht zufällig ist das am weitesten reichende Beispiel einer ‚positiven Integration’ die Europäische Währungsunion,<br />

welche mittels der so genannten Stabilitätskriterien ebenfalls zu einer erheblichen Beschränkung nationalstaatlicher<br />

Souveränität führt. Vgl. Arne Heise: Schulmeister Deutschland oder: Wie Europa getietmeyert<br />

wurde. In: Blätter für Deutsche und Internationale Politik 7/2005, S. 819-828.<br />

79

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!