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Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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sich aber ein Parallelnetzwerk der Macht bildet, in dem vor allem die Exekutive<br />

eine besondere strategische Aufwertung erfährt. Wahrscheinlich kann heute eine<br />

Analyse sich nicht darauf beschränken, lediglich eine Verlagerung hin zur Exekutive<br />

festzustellen. Die Entwicklung der Parteien ist anders verlaufen, die Parteien<br />

der Linken in den 1970er Jahren haben sich teilweise aufgelöst oder an Bedeutung<br />

verloren, <strong>neue</strong> haben sich gebildet. Die staatlichen Apparate wurden transformiert,<br />

Aufgaben aufgegeben, Verwaltungseinrichtungen drastisch verkleinert, das Anciennitätsprinzip<br />

der Beförderungsstufen teilweise aufgehoben, viele Bereiche privatisiert.<br />

Die Kooperation von staatlichen und privaten Einrichtungen wurde verstärkt,<br />

staatliche Bereiche wie die Polizeien wurden teilweise ausgebaut oder<br />

stärker vernetzt und mit privaten Sicherheitsdispositiven verschränkt.<br />

Wenn Poulantzas nahelegt, dass die Verwaltung die Politik des herrschenden<br />

Blocks organisiert und vereinheitlicht, dann orientiert sich dies doch stark am Modell<br />

der bürokratischen Hierarchie, die eine Einheit des Apparats von oben nach<br />

unten gewährleisten kann. Doch es haben sich andere Elemente verstärkt, die<br />

Fragmentierung der Verwaltung, die Vernetzung mit Privaten, eine Einbeziehung<br />

von Kommissionen und der Rückgriff auf dezisionistische Entscheidungsmuster.<br />

Die Ressortgrenzen der Verwaltungen und Zuständigkeiten werden selbst zu strategischen<br />

Momenten im Prozess der Politikbildung und -ausführung. Es bilden<br />

sich quer zu Parteien, Ressorts oder den einzelnen Staatsapparaten (einschließlich<br />

Parlament) strategische Projekte und Gruppen, Machtzentren und Querschnittskoalition,<br />

in denen die Politik ausgearbeitet wird.<br />

Die Perspektive der Globalisierung hat – insbesondere im Umfeld der Weltumweltkonferenz<br />

in Rio de Janeiro 1992 – eine Reihe von undemokratischen Praktiken<br />

erkennen lassen. Ein geringer Anteil der Menschen vorwiegend in den so<br />

genannten OECD-Staaten verbraucht die common goods wie Rohstoffe, Fischbestände,<br />

Regelwälder; sie eignen sich den Reichtum an, der der Menschheit insgesamt,<br />

auch den zukünftigen Generationen gehört. Dies würde es rechtfertigen,<br />

dass <strong>Demokratie</strong> als ein Versuch der Selbstbestimmung der Menschen soweit ausgedehnt<br />

wird, wie die Betroffenheiten reichen. Das Konstrukt der Volkssouveränität<br />

mit der Unterscheidung je unterschiedlicher Völker, die ihre Entscheidungen<br />

auf ein staatlich umgrenztes und souverän kontrolliertes Territorium beschränken,<br />

steht dem bis heute entgegen und erweist sich mehr denn je als überholt und fragwürdig.<br />

Schließt der Gesichtspunkt der Globalisierung also zunächst einmal das Bewusstsein<br />

von der Notwendigkeit einer Erweiterung der demokratischen Selbstregierung<br />

und die schmerzliche Erfahrung ihrer bisherigen nationalen Begrenzung<br />

ein, so macht er aber gleichzeitig auch darauf aufmerksam, dass <strong>Demokratie</strong> angesichts<br />

von Globalisierung selbst kaum zu realisieren sein dürfte – jedenfalls solange<br />

an den bisherigen Begriffen und Institutionen wie Volk, Volkssouveränität,<br />

Repräsentation, Parlament, Trennung von Ökonomie und Politik festgehalten wird.<br />

<strong>Demokratie</strong> setzt voraus, dass das souveräne Volk durch Selbstgesetzgebung oder<br />

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