Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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Stabilität sei auf lange Sicht nicht einholbar. Im Unterschied zum neokonservativen<br />
Verständnis vom Gewicht und der Verteilung dieser Ressourcen im Feld der<br />
Macht spielt nach Ansicht dieser Liberalen der militärische Faktor jedoch ein beträchtlich<br />
minimierte Rolle: postindustrielle Gesellschaften fokussierten sich auf<br />
Wohlfahrt, das Ethos des Krieges sei geschwächt und die soft power und ihr<br />
kooptierender Attraktionseffekt spiele eine weitaus wichtigere Rolle als früher. 80<br />
Gleichwohl reflektiere die offenbare und nachhaltige Situation der Unipolarität<br />
die Existenz hierarchischer Beziehungen im internationalen System – und erstmals<br />
in der Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft könne die Dominanz eines<br />
Nationalstaates auf Dauer gestellt werden.<br />
In den 80er Jahren hatten sich noch viele akademische Vertreter dieser Richtung<br />
mit der Frage, was nach einem decline der US-amerikanischen Macht geschehen<br />
würde – »after hegemony« (Keohane) war die Frage. In den 90ern ging<br />
es darum zu erklären, warum die Annahme eines Niedergangs amerikanischer<br />
Macht sich nicht bewahrheitete und weshalb es zu keiner Ausbalancierung der<br />
unipolaren Position der amerikanischen Macht im internationalen System kam. 81<br />
Die Attentate in New York und Washington und die darauf folgenden politischen<br />
Reaktionen erschütterten dann aber die bisherigen Positionen. Diese Situation mit<br />
Begriffen wie soft power, Kompromiss oder Konsens zu beschreiben schien obsolet.<br />
Drei Reaktionen breiteten sich aus. Zunächst griffen jene liberalen Autoren,<br />
die bislang sogar den Gebrauch des Begriff Hegemonie vermieden hatten, nicht<br />
selten auf ihn zurück – es sei ein deutliches »Hervortreten« einer Hegemonie spürbar.<br />
Andere begannen den Begriff »Hegemonie« mit martialischen Beiworten zu<br />
versehen. Unverkennbar wurden nun die Schwierigkeiten, zwischen »Empire«,<br />
»Dominanz« und »harter« Hegemonie zu unterscheiden – und wenn etwa Mearsheimer<br />
Hegemonie beschreibt als »a state that is so powerful that it dominates all<br />
the other states in the systen« 82 , dann ist hier Hegemonie deckungsgleich mit Dominanz.<br />
83 Und während die einen somit den Begriff »Hegemonie« zur Beschreibung<br />
der Position der USA im internationalen System einführten und die anderen<br />
ihn zusätzlich auszeichneten, vollzogen eine weitere Gruppe sogar eine sanfte<br />
80 »If I can get you to want to do what I want, then I do not have to force you to do what you do not want to do. If<br />
the United States represents values that others want to follow, it will cost us less to lead. Soft power is not<br />
merely the same as influence, though it is one source of influence. After all, I can also influence you by threats<br />
or rewards. Soft power is also more than persuasion or the ability to move people by argument. It is the ability<br />
to entice and attract. And attraction often leads to acquiescence or imitation.« Nye: Limits, S. 552.<br />
81 S. Mark Beeson: U.S. Hegemony. In: Philipp O’Hara (Hg.): Encyclopedia of Public Policy: Governance in a Global<br />
Age. London 2004.<br />
82 J. J. Mearsheimer: The Tragedy of Great Power Politics. New York 2001, S. 40.<br />
83 Zumindest für jene allerdings, die in der gramscianischen Tradition des Verständnisses von Hegemonie stehen,<br />
bedeutet Nineleven und die folgende Politik natürlich genau das Gegenteil, also ein »Zurücktreten« oder eine<br />
Krise der Hegemonie, da sie für eine Krise der Führungsfähigkeit der USA und ihrer Fähigkeit zur kooperativen<br />
Produktion von Konsens steht. Die aktuelle Politik der US-Administration hat auf globaler Ebene einen wohl fast<br />
einmaligen Dissens und damit massiven Hegemonieverlust hervorgerufen.<br />
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