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Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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1. Umstellung vom normativen auf einen kognitiven Stil der<br />

Entscheidungsfindung oder der Trend zur Enklavendemokratie<br />

Seit einigen Jahren lässt sich der Trend der Verlagerung von im weiteren Sinne politischen<br />

Entscheidungsmaterien in Expertengremien beobachten. Kommissionen<br />

und Konsensrunden zielen auf die Steigerung der Effektivität politischer Steuerung,<br />

indem der Staat bereits im Prozess der Gesetzesformulierung sich mit den<br />

Vertretern gesellschaftlich einflussreicher Gruppierungen zusammensetzt. Kollektiv<br />

verbindliche Entscheidungen werden dabei im wachsenden Umfang zwischen<br />

der Exekutive und gesellschaftlich potenten Gruppen, wenn schon nicht endgültig<br />

getroffen, so zumindest in einem Umfang vorformuliert, dass den Parlamenten lediglich<br />

die nachträgliche Bestätigung der Verhandlungsergebnisse bleibt. Prominente<br />

Beispiele hierfür sind in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik das<br />

»Bündnis für Arbeit«, die »Energiekonsensgespräche«, die »Rürup-Kommission«,<br />

»die Hartz-Kommission«, aber auch der »Nationale Ethikrat« 1 . Der Staat tritt bei<br />

diesen Verhandlungen nur noch als »primus inter pares« auf und verzichtet auf<br />

hierarchische Vorgaben. 2 An die Stelle des zwingenden Rechts, tritt ein reflexives<br />

Recht, welches einen Rahmen der Konfliktbehandlungen zwischen verschiedenen<br />

Interessengruppen zur Verfügung stellt. Dass der Staat sich mit gesellschaftlichen<br />

Interessenverbänden an einem Tisch setzt, ist freilich kein <strong>neue</strong>s Phänomen. So<br />

existiert etwa im Gesundheitswesen seit mehr als 30 Jahren eine »konzertierte Aktion«,<br />

seit ca. zehn Jahren lässt sich aber eine Vermehrung und ein Bedeutungszuwachs<br />

dieser weichen Form der Steuerung im »Schatten der Souveränität«<br />

(Scharpf) feststellen.<br />

Diese Entwicklung zum »verhandelnden Staat« und zum »Postparlamentarismus«<br />

stellt eine Reaktion auf die Beobachtung dar, dass »komplexe Gesellschaften<br />

durch Recht und hoheitlich-hierarchische Intervention nicht hinreichend gesteuert<br />

werden können« 3 und hat in vielen Bereichen durchaus zu einer erhöhten<br />

Effektivität des Regierungshandelns beigetragen. Gleichwohl sind mit dieser Umstellung<br />

von der Input- zur Outputlegitimation auch erhebliche Kosten auf Seiten<br />

der demokratischen Authentizität verbunden. 4 Problematisch ist unter diesem Gesichtspunkt<br />

nicht nur, dass der »offizielle Kreislauf der Macht« (Habermas), demzufolge<br />

das Volk über Wahlen die Regierung programmiert, welche dann wie-<br />

1 Der »Nationale Ethikrat« ist auf Beschluss der Bundesregierung im Jahr 2001 konstituiert worden und soll als<br />

»nationales Forum des Dialogs über ethische Fragen in den Lebenswissenschaften« dienen. Ihm gehören Mediziner,<br />

Naturwissenschaftler, Philosophen und Theologen, aber auch Vertreter gesellschaftlicher Interessengruppen<br />

an.<br />

2 Vgl. als Überblick Julia von Blumenthal: Auswanderung aus den Verfassungsinstitutionen. Kommissionen und<br />

Konsensrunden. In: Aus Politik und Zeitgeschichte B 43/2003, S. 9-15.<br />

3 Arthur Benz: Postparlamentarische <strong>Demokratie</strong>?. In: Michael Greven (Hg.), <strong>Demokratie</strong> – eine Kultur des Westens,<br />

Opladen 1998, S. 201-222, hier S. 203.<br />

4 Vgl. Peter A. Kraus: Die Begründung demokratischer Politik in Europa. Zur Unterscheidung von Input- und Output-Legitimation<br />

bei Fritz W. Scharpf. In: Leviathan 32 (4/04), 558-567.<br />

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