18.01.2013 Aufrufe

Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung

Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

haus-Effekts in diese Technologie demnächst überall wieder verstärkt investiert<br />

wird.<br />

Trotz massiver Vorbehalte in der Bevölkerung verfolgen Unternehmen weiterhin<br />

milliardenschwere Investitionsprogramme zur genetischen Veränderung von<br />

Pflanzen und Tieren. Die Aneignung kollektiver Güter durch Private ebenso wie<br />

die Unterwerfung des Lebens unter das Privateigentum geht trotz nachhaltigen<br />

Widerstands weiter. Selbst dort, wo es zu demokratischen und verfahrensförmig<br />

definierten Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen kommt, reichen sie an<br />

die Logik kapitalistisch bestimmter Weichenstellungen kaum heran. »Dass der Faschismus<br />

nachlebt; dass die vielzitierte Aufarbeitung der Vergangenheit bis heute<br />

nicht gelang und zu ihrem Zerrbild, dem leeren und kalten Vergessen, ausartete,<br />

rührt daher, dass die objektiven gesellschaftlichen Voraussetzungen fortbestehen,<br />

die den Faschismus zeitigten. Er kann nicht wesentlich aus subjektiven Dispositionen<br />

abgeleitet werden. Die ökonomische Ordnung und, nach ihrem Modell,<br />

weithin auch die ökonomische Organisation verhält nach wie vor die Majorität zur<br />

Abhängigkeit von Gegebenheiten, über die sie nichts vermag, und zur Unmündigkeit.<br />

Wenn sie leben wollen, bleibt ihnen nichts übrig, als dem Gegebenen sich anzupassen,<br />

sich zu fügen; sie müssen eben jene autonome Subjektivität durchstreichen,<br />

an welche die Idee von <strong>Demokratie</strong> appelliert.« 10<br />

3. Wie lässt sich die Ungleichzeitigkeit von <strong>Demokratie</strong><br />

und Entdemokratisierung begreifen?<br />

Adornos grundsätzlich zu verstehende Äußerung wirft die Frage nach dem Stellenwert<br />

demokratischer Prozesse unter den Bedingungen von gesellschaftlichen<br />

Naturgesetzen, die die Menschen zur Anpassung verhalten. Von dort her, also einer<br />

gesellschaftstheoretischen Beurteilung, erschließen sich wohl auch erst viele<br />

der angesprochenen Phänomene.<br />

Der bürgerlich-kapitalistische Staat hat sich in den vergangenen Jahrzehnten<br />

immer wieder als autoritär erwiesen. Zunächst hat er erst einmal lange gebraucht,<br />

bis er im formellen Sinn demokratisch wurde. Doch auch die Rechtsstaatlichkeit<br />

und die demokratischen Rechte haben nicht verhindert, dass in der Praxis staatlichen<br />

Handelns immer wieder autoritäre Tendenzen entstanden. Die Linke, Bürgerrechtler,<br />

auch kritische Liberale haben vor solchen Entwicklungen immer wieder<br />

gewarnt. In den 1960er Jahren wurde befürchtet, dass die Notstandsgesetzgebung<br />

zu einer Zerstörung der jungen bundesdeutschen <strong>Demokratie</strong> führen müsste. In<br />

den 1970er Jahren wurden die Reaktionen des Staates auf den Terrorismus der<br />

RAF als eine Bedrohung der Rechtstaatlichkeit und eine Tendenz schleichender<br />

Faschisierung wahrgenommen. Das politische Vokabular, das die Linke zur Verfügung<br />

hatte und ihr nahelegte, jede staatliche Veränderung als Zunahme der Re-<br />

10 Theodor W. Adorno: Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit. A. a. O., S. 567.<br />

70

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!