Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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Volker Caysa<br />
Das Versklavungstheorem und die Kritik<br />
der politischen Ökonomie der Körper<br />
I Das Versklavungstheorem<br />
Innerhalb der Körperutopien ist die Utopie aller Utopien die der absoluten Herrschaft<br />
über den Körper. Der Traum von absolut frei entwerfbaren, erschaffbaren,<br />
effektivierbaren, verfüglichen und schönen Körper ist der Traum aller Träume in<br />
den Körperutopien.<br />
Aufgrund der in vorangegangen Jahrhunderten noch nicht vorhandenen körpertechnologischen<br />
Mittel nahm diese Utopie zunächst die Gestalt der Idee des »körperlosen<br />
Körpers« an, 1 die entweder den unbeherrschbaren, jungen, begehrenden<br />
oder den alternden, hinfälligen Körper zum Verschwinden bringen will. Die Idee<br />
der Herrschaft über den Körper formte sich zum Ideal der reinen, vom Körper unabhängigen<br />
schönen Seele.<br />
Unter den modernen Bedingungen der Körpertechnologisierung, der Körperindustrialisierung,<br />
der Körperökonomisierung und der Körperverrohstofflichung<br />
wird nun die Utopie der absoluten Herrschaft über den Körper als Traum vom<br />
machbaren, schönen, perfekt gestylten Körper wirklich. Der Körper verliert dabei<br />
seine Schicksalhaftigkeit und Schrecklichkeit und die Utopie »des glanzvollen,<br />
mächtigen, sonnengleichen Körpers«, 2 die mit der Goldmaske der verstorbenen<br />
Könige der mykenischen Kultur verbunden war, scheint für immer mehr Menschen<br />
Wirklichkeit zu werden.<br />
Aber nicht nur die Utopie des scheinbar reinen, gereinigten, strahlenden, glatten,<br />
ewig jungen, des körperlosen (Marmor-)Körpers kehrt in Form des perfekt<br />
gestylten Körpers wieder, sondern auch die von einem »riesigen, überdimensionalen<br />
Körper« und den ihm entsprechenden Körperteilen. Gerade in den damit<br />
verbundenen Sexutopien beweist sich, dass der Körper »der Hauptakteur aller<br />
Utopien« ist und dass nicht nur der Körper, sondern auch Körperteile und funktionen<br />
große utopische Akteure sind. 3 Auffällig ist gerade in der modernen Sexindustrie<br />
und der damit verbundenen Ökonomisierung der Körper und der Liebe,<br />
dass das Begehren und auch die Fleischlichkeit immer mehr das Produkt von<br />
Machbarkeitsphantasien sind und in Grenzfällen die Utopie technologisierter<br />
Fleischlichkeit den Menschen verschlingt.<br />
1 Vgl. Michel Foucault: Die Heterotopien/Der utopische Körper. Frankfurt/M. 2005, S. 26.<br />
2 Vgl. ebenda S. 27.<br />
3 Vgl. ebenda S. 31.<br />
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