Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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gisch oft auf der einen Seite mit den anderen – der Gefahr des »Hinabsinkens«<br />
oder dem Leitbild von Selbständigkeit, Kreativität und Selbstverwirklichung –<br />
Politik gemacht wird. Ich möchte den Blick eher auf die Frage richten, wie beide<br />
Formen als Teil der Herausbildung einer <strong>neue</strong>n Lebensweise und <strong>neue</strong>n hegemonialen<br />
Diskursen über Subjekte sind.<br />
Zivilgesellschaft und politische Gesellschaft sind nicht scharf voneinander zu<br />
trennen: Architekt der aktuellen Sozialpolitik – vornehmes Feld zur Herstellung<br />
einer der Produktionsweise angemessenen Lebensweise – ist bekanntlich Peter<br />
Hartz. In seinem Buch »Job Revolution« 19 versucht er explizit, die Umorganisierung<br />
von Unternehmen und individuellen Ansprüchen und Lebensweisen zusammen<br />
zu denken und zusammen zu bringen, und zwar als Mischung aus Versprechungen<br />
und Drohungen 20 . Als Vorsitzender der nach ihm benannten Kommission<br />
der Bundesregierung finden sich seine Vorstellungen entsprechend in den Grundgedanken<br />
der Arbeitsmarktreform wieder, die nun das Leben von Millionen Menschen<br />
unmittelbar betreffen. Mit den Pfeilern »Zumutbarkeit, Eigenverantwortung,<br />
Beschäftigungsfähigkeit und Aktivierung« verallgemeinert »der sozialstaatliche<br />
Aktivierungsgedanke […] auch die individuelle Internalisierung der Marktlogiken<br />
aus der Sphäre des unmittelbaren Produktionsprozesses zu einem umfassenden<br />
gesellschaftlichen Leitbild« 21 . Der Bericht der Hartz-Kommission endet wiederum<br />
mit einem Aufruf an zivilgesellschaftliche Akteure – hier genannt die »Profis der<br />
Nation«, von Journalisten und Kulturschaffenden über Sozialarbeiter bis zu Unternehmen<br />
und Politik –, sich an der Verbreitung von Problemsicht und Lösungsansätzen<br />
zu beteiligen; die Aktivierung der Einzelnen wird ergänzt durch die Aktivierung<br />
der Zivilgesellschaft:<br />
»Unser Ziel soll es sein, die in unserer Gesellschaft vorhandenen vielfältigen<br />
Kompetenzen zu aktivieren und auf das gemeinsame Ziel hin auszurichten. [… Jeder<br />
ist] gefordert, sich auf sein spezifisches Können und auf seine Stärken zu konzentrieren<br />
und mit anzupacken, wo immer es geht.« 22<br />
Ähnlich bewegte sich Horst Köhler vom zivilgesellschaftlichen zum im engeren<br />
Sinne staatlichen Akteur, der als »Mann der Wirtschaft« und Pragmatiker, der<br />
»sagt was notwendig ist«, versucht, Aufrufe zu Verzicht und Versprechen von Prosperität<br />
zu verbinden. Kritik an den Sozialstaatsreformen verweist er in die Schranken<br />
der internationalen Vergleichsmaßstäbe von Armut: »Wissen wir eigentlich,<br />
was es heißt, von weniger als zwei Euro am Tag leben zu müssen – wie über drei<br />
19 Peter Hartz: Job Revolution. Wie wir <strong>neue</strong> Arbeitsplätze gewinnen können, Frankfurt/M. 2001<br />
20 Vgl. Frigga Haug: »Schaffen wir einen <strong>neue</strong>n Menschentyp«. Von Henry Ford zu Peter Hartz. In: Das Argument<br />
252 (2003), S. 606-617; Christina Kaindl: Rechtsextremismus und Neoliberalismus. In: Dies. (Hrsg.): Kritische<br />
Wissenschaften im Neoliberalismus. Marburg 2005, S. 180-200.<br />
21 Mario Candeias: Neoliberalismus, Hochtechnologie, Hegemonie. Grundrisse einer transnationalen kapitalistischen<br />
Produktions- und Lebensweise. Eine Kritik. Hamburg 2004, S. 595.<br />
22 Peter Hartz u. a.: Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt. Vorschläge der Kommission zum Abbau der Arbeitslosigkeit<br />
und zur Umstrukturierung der Bundesanstalt für Arbeit. Berlin 2002, S. 286.<br />
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