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Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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wegen des Eskalationsniveaus der Polizei, der Gewaltanwendung, der Ausspitzelei,<br />

der Überwachung um Leib und Leben, rechtliche Folgen und berufliche Zukunft<br />

fürchten muss.<br />

Proteste gegen die AKW, gegen Zwischen- und Endlagerung von Atommüll<br />

werden nicht als Beitrag von Minderheiten, die berechtigte Bedenken gegen eine<br />

gefährliche Technologie haben, zum Allgemeinwohl gedeutet, sondern als Obstruktion.<br />

Antifa-Gruppen, die über Nazi-Gruppen aufklären und gesellschaftlichen<br />

Widerstand mobilisieren, werden staatlich eher verfolgt als Nazi-Gruppen selbst.<br />

Immer wieder lässt sich feststellen, dass rechtsradikale Gruppierungen aus öffentlichen<br />

Mitteln unterstützt werden, dass sie enge Kontakte mit Vertretern demokratischer<br />

Parteien unterhalten, vom Verfassungsschutz gedeckt sind. Es spricht<br />

einiges dafür, dass rechtsradikale Positionen und Gewaltpraktiken auf einem niedrigen<br />

Intensitätsniveau – also im statistischen Durchschnitt einer bestimmten Zahl<br />

von gewaltbereiten Rechten und Ermordeten – als Drohmasse und Terrormeute<br />

vorgehalten werden.<br />

Ohnehin ist alles unverhältnismäßig: Angeblich um Schäden für die Gemeinschaft<br />

und den Staat abzuwehren, werden tausende Polizisten aufgeboten, Millionen,<br />

wenn nicht Milliarden in Ausrüstung, Aufrüstung und Sicherheitssysteme<br />

investiert, während gleichzeitig solche Schäden durch Fehlinvestitionen in Gewerbeflächen,<br />

durch Sparpolitik im Gesundheitsbereich oder unterlassene weitsichtige<br />

Umweltpolitik in Milliardenhöhe erzeugt werden. Die Kontrolldichte hat<br />

sich im Alltag erheblich verstärkt: Kundenprofile, Videoüberwachung, Aufhebung<br />

des Bankgeheimnisses, Raster- und Schleppfahndung, DNA-Analyse, Messung<br />

biometrischer Merkmale, Zunahme von Lauschangriffen und Eindringen in private<br />

Computer über das Netz, Beschneidung(sversuche) von Klagewegen und Einspruchsrechten,<br />

Einschränkung von Verbandsklagerechten, Enteignung öffentlicher<br />

Räume (wie Bahnhöfe, Straßen, Plätze) durch Privatisierung durch Einrichtung<br />

privater Sicherheitszonen oder durch Werbung. Ein eigenes Kapitel ist die<br />

dauerhafte Benachteiligung von Menschen mit migrantischem Hintergrund und<br />

von Flüchtlingen, denen mit der Entrechtung auch der Zugang zu demokratischer<br />

Beteiligung genommen wird.<br />

Wie in vielen gesellschaftlichen Bereichen kommt es auch in politisch-demokratischen<br />

Prozessen zu paradoxen Ungleichzeitigkeiten. Denn lassen sich Tendenzen<br />

der Entdemokratisierung beobachten, so ist nicht zu bestreiten, dass in vielen<br />

Bereichen gesellschaftliche Akteure an Entscheidungen beteiligt sind: Nichtregierungsorganisationen,<br />

Experten oder Bürgergruppen in Mediationsverfahren, Planungszellen<br />

oder Anhörungen. Eine Bilanz zu ziehen ist schwierig. Dennoch hat<br />

man kaum je gehört, dass durch solche Beteiligungen entscheidende Entwicklungspfade<br />

von den Unternehmen nicht verfolgt worden wären. Nachdem zwei bis<br />

drei Generationen gegen die Katastrophentechnologie Atomkraftwerk und für alternative<br />

Formen der Energiegewinnung gekämpft haben, ist zu befürchten, dass<br />

mit dem Argument der Ressourcenschonung und der Verminderung des Treib-<br />

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