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Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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tionen; Parteipolitiker sprechen auch davon, dass es ihnen nicht gelungen sei, tolle<br />

Inhalte und Entscheidungen den Bürgern und Bürgerinnen im Lande richtig rüberzubringen.<br />

Doch es könnte sich auch so verhalten, dass die Bevölkerung die<br />

schwache innere Bindung der politischen Eliten an die <strong>Demokratie</strong> spürt – sofern<br />

<strong>Demokratie</strong> das Handeln nach Gesichtspunkten der Allgemeinheit und nicht des<br />

besonderen, vorherrschenden Klasseninteresses der Unternehmer meint.<br />

Seit vielen Jahren sinkt die Bedeutung der Wahlen, der Parteien, des Parlaments<br />

und der Bundesregierung in der Bevölkerung. Das Vertrauen in Wirtschaftsund<br />

politische Elite war 2004 laut Umfragen von Gallup und Gesellschaft für<br />

Konsumforschung in der deutschen Bevölkerung niedriger als in anderen europäischen<br />

Staaten; in Westeuropa hatten 85 Prozent kein Vertrauen in die politischen<br />

Führungskräfte, in Deutschland über 90 Prozent 6 . Andere Umfragen weisen<br />

in dieselbe Richtung. Nur noch 33 Prozent der Bevölkerung haben Vertrauen in den<br />

Bundestag (2001: ca. 50 Prozent), nur noch 28 Prozent in die Regierung (2001:<br />

ebenfalls ca. 50 Prozent), nur noch 14 Prozent in die politischen Parteien. Die Zustimmung<br />

zur Politik ist auf einem niedrigen Niveau: 32 Prozent sehen sich als<br />

Verlierer, nur noch 27 Prozent empfinden die Republik noch als gerecht (vgl. FR<br />

vom 3. 11. 2006). Angst, ein Mittel politischer Führung, ist eine verbreitete Gefühlslage<br />

in der deutschen Bevölkerung. Demgegenüber ist die Zustimmung zu den als<br />

neutral erscheinenden politischen Institutionen Polizei (81 Prozent), Bundespräsident<br />

(73 Prozent) und Bundesverfassungsgericht (73 Prozent) hoch.<br />

Die Zustimmung zu den politischen Institutionen und zur herrschenden Politik<br />

ist bei einem großen Teil der Bevölkerung offenkundig nur noch passiv und mechanisch<br />

– und scheint das Ergebnis von Gewohnheit, autoritärer Folgebereitschaft<br />

oder mangelnder Alternative zu sein. Die demokratische Politik hat sich<br />

schon lange von der Verantwortung und aus der engen Verbindung mit der Bevölkerung<br />

gelöst. Ermutigt wurde dies durch das Grundgesetz selbst, das die Abgeordneten<br />

zu »Vertretern des ganzen Volkes« macht – also genau genommen Vertretern<br />

von niemand konkretem, so dass sie jeweils definieren können, was sie als<br />

vertretenes Volk betrachten wollen. Dies wird ausdrücklich mit dem elitetheoretischen<br />

Konzept der »politischen Klasse« signalisiert, das darauf hinaus will, dass<br />

Politiker eine eigenständige soziale Klasse von Menschen sind, die den Funktionsimperativen<br />

des ausdifferenzierten Funktionssystems Politik entsprechend handeln.<br />

So richtig das in einer Hinsicht ist, so falsch ist es in einer anderen.<br />

Eine systematische Analyse von »Gala« oder anderen Boulevardmedien könnte<br />

wohl zeigen, dass viele der Politiker regelmäßigen Verkehr und Austausch mit Unternehmern<br />

und Verbändevertretern, Lobbyisten, Journalisten und Wissenschaftlern<br />

und mit Stars und Sternschen aus Fernsehen, Film, Sport, Geschäftswelt in<br />

der Berliner Republik eine eigene Jetset orientierte Lebensweise entwickelt haben<br />

(Verteidigungsminister Jung auf der Einweihungsparty der Villa von Boris Becker<br />

6 Joachim Jahnke: Falsch globalisiert. Hamburg 2006, S. 34 f.<br />

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