Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung
Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung
Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Arbeitssituation, »zumeist aber nur, um ihr flexibilisiertes Arbeiten im selben<br />
Atemzug als privilegierte, selbst bestimmte oder leidenschaftliche Tätigkeit hervorzuheben<br />
und dies mit der Formulierung von Diziplinierungserfordernis an sich<br />
selbst zu verbinden« 49 .<br />
Das Gefühl des Privilegs wird durch das relative Schreckensszenario der Sozialreformen<br />
potenziell gestützt. Mit der Umsetzung der so genannten Hartz-Reformen<br />
hat sich der hier vor allem werbend und versprechend erscheinende Diskurs für<br />
Millionen von Menschen zum Zwang materialisiert. Damit sind die ideologischen<br />
Nahelegungen, die damit verbunden sind, den Menschen sozusagen »auf die<br />
Pelle« gerückt.<br />
Da mit der Dauer der Arbeitslosigkeit auch die Zumutbarkeit von Arbeitsstellen<br />
außerhalb der eigenen Qualifikation, bisherigen Entlohnung oder dem bisherigen<br />
Lebensmittelpunkt anzunehmen, steigen auch Druck und Zwang.<br />
Die Verunsicherung soll die Arbeitsintensität und -dauer steigern – und tut es<br />
auch: »Das sind häufig Leute, die kommen, die sind völlig am Ende, Frauen, auch<br />
meistens mit Kindern, die ganz schnell so einen kleinen Posten bekommen, eine<br />
kleine Leitungsfunktion, die erst mal total stolz sind und auch geschmeichelt sind,<br />
dass sie jetzt diese Verteilung überwachen dürfen. Ja, und dann halten sie noch<br />
länger durch, und dann kommt irgendein Punkt, da sind die so erschöpft und physisch<br />
nicht mehr in der Lage, das weiterzumachen und so verzweifelt, da nicht<br />
rauszukönnen. Dann ist meistens schon das Bild einer schweren Erschöpfungsdepression…«<br />
50<br />
Die Hartz-Reformen behandeln das Problem der Arbeitslosigkeit als eines des<br />
Missmatches, entsprechend ist die »Marktorientierung« ein zentraler Bezugspunkt<br />
der »Aktivierung«. Ist die Marktorientierung erfolgreich, zeigt sich das in der<br />
(»konkreten«) Beschäftigungsfähigkeit, die sich darin zeigt, dass Beschäftigung<br />
gefunden wurde. Candeias analysiert für Beschäftigte unter den <strong>neue</strong>n Management-<br />
und Unternehmenskonzepten, dass es den Unternehmen gelungen sei, den<br />
»Druck der Marktkonkurrenz als Handlungsanforderung auf die Arbeiter zu erweitern<br />
bzw. zu übertragen« 51 . Die Verbindung vom Druck der unsicherer Arbeitsverhältnisse<br />
mit den Bedürfnissen nach Selbstverwirklichung führe dazu, dass die<br />
Beschäftigten »in Verbindung mit einer Ideologie des ›Erfolgs‹ die Flexibilitätsund<br />
Effizienzanschauung in ihre eigenen Denk- und Handlungsmuster« 52 internalisieren.<br />
Der Mobilisierungs- und Aktivierungs-Diskurs verweist durchgängig gesellschaftliche<br />
Probleme in die Verantwortlichkeit der Einzelnen. Er erfordert ein<br />
<strong>neue</strong>s subjektives Selbstverhältnis, in dem z. B. die Emotionalität ein Teil des subjektiven<br />
Kapitals wird, das es jederzeit bereit zu halten und zu investieren gilt. Im<br />
49 Ebenda.<br />
50 Margarete Steinrücke: Soziales Elend als psychisches Elend. A. a. O. S. 203.<br />
51 Mario Candeias: Neoliberalismus, Hochtechnologie, Hegemonie. A. a. O., S. 195.<br />
52 Ebenda.<br />
19