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Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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ner Vorsorgeverwaltung gemeint, sondern hat, worauf Wolfgang Abendroth immer<br />

wieder hinwies, selbst eine demokratische Bedeutung. Diese besteht in der<br />

Einsicht, dass Menschen ihre demokratische Rechte nur wahrnehmen können,<br />

wenn sie sich auch am politischen Leben beteiligen können. Eine materielle<br />

Grundausstattung ist nötig, die die Bedingung der Möglichkeit darstellen, um<br />

den politischen Prozess verstehen und an ihm teilnehmen zu können: Bildung,<br />

Zeitung, Fernsehen, Computer, räumliche Mobilität. Müssen die, die zu gering<br />

ausgestattet sind, begünstigt werden, so müssen andere, die über erhebliche materielle<br />

Ressourcen und mächtige Kompetenzen verfügen, weil sie für die Politik<br />

relevante Weichenstellungen vornehmen oder Vorgaben machen können,<br />

verstärkt kontrolliert, ihre häufig informelle Entscheidungsgewalt in besonderen<br />

Entscheidungsorganen konstitutionalisiert und damit demokratiefähig gemacht<br />

werden.<br />

<strong>Demokratie</strong> lässt sich also nicht auf formal gleiche Beteiligung reduzieren, weil<br />

dies eine unrealistische Abstraktion wäre. Deswegen rückt die Frage nach der demokratischen<br />

Lebensweise als Grundlage einer demokratischen Gesellschaft in<br />

den Blick. Kant hat sich getäuscht, die demokratische Verfassung bedarf entgegenkommender<br />

gesellschaftlicher Praktiken, denn wenn alle nur Teufel wären,<br />

würde der demokratische Prozess nicht funktionieren. So gibt es ja auch die <strong>Demokratie</strong><br />

selbst in der schmalen Form der repräsentativen <strong>Demokratie</strong> nur, weil<br />

sich viele Menschen dafür eingesetzt und Mächtige zu Kompromissen dort gezwungen<br />

haben, wo es nicht möglich war, ihnen die Machtressourcen zu nehmen.<br />

Ein formales Kriterium zur Beurteilung der Frage, ob die gesellschaftliche Entwicklung<br />

noch demokratisch ist, wird nicht ausreichen, auch wenn es nicht vernachlässigt<br />

werden darf. Aufgrund eines weiten <strong>Demokratie</strong>verständnisses bedarf<br />

es gesellschaftspolitischer, sozialer, kultureller und inhaltlicher Kriterien. Diese<br />

Kriterien müssen zudem berücksichtigen können, ob die <strong>Demokratie</strong> die Sphäre<br />

ihrer Geltung ausdehnt oder <strong>neue</strong> Hindernisse erzeugt, die die Möglichkeiten der<br />

konkreten Teilnahme an gesellschaftlich relevanten Entscheidungen behindern.<br />

<strong>Demokratie</strong> ist demnach auf dem Weg zur Freiheit ein Kompromiss, in dem sich<br />

die Freiheit und Gleichheit aller immer noch nicht durchgesetzt hat und der auch<br />

den Kräften Raum gibt, die sich der Freiheit aller entgegenstellen, weil sie ihrer<br />

Freiheit des Eigennutzes den Boden entziehen würde.<br />

2. Phänomene und Prozesse der Entdemokratisierung<br />

Es lassen sich zahllose gesellschaftliche Prozesse beobachten, die die Grundlagen<br />

demokratischer Beteiligung schwächen. Produktionsmitteleigentümer und Vermögende<br />

sind in vielen Ländern willkommen, ihnen wird die Staatsbürgerschaft nahegelegt,<br />

Immobilienkaufrechte eingeräumt, auf ihre Ansichten wird gehört. Das<br />

ist für reiche Deutsche nicht nur in der Schweiz und auf Mallorca der Fall, wo sie<br />

durch ihr Verhalten demokratische Spielregeln nachhaltig beeinträchtigen.<br />

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