Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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So soll »erfahrbar« werden, was es heißt, auszugrenzen und ausgegrenzt zu<br />
werden. Wenn es klappt, und die Erstauswertung ergibt, das die ausgegrenzte Person<br />
sich schlecht fühlte, die Ausgrenzenden vielleicht Spaß an der Macht hatten,<br />
andere wiederum sich schlecht fühlten, eben weil sie gesehen haben, dass es der<br />
ausgegrenzten Person schlecht ging, dann könnte man hier mit der Auswertung<br />
abbrechen und sagen: Erinnert dieses Gefühl, und wenn demnächst jemand Neues<br />
in Eure Institution kommt, den oder die Ihr entweder einfach doof findet oder ablehnt,<br />
weil sie schwul oder lesbisch ist oder eine dunklere Hautfarbe hat – erinnert<br />
euch daran, wie schlimm es ist, ausgegrenzt zu werden, und integriert die Person.<br />
Nichts gelernt hätten die Teilnehmerinnen darüber, warum sie denn in der Realität<br />
es »eklig finden, wenn zwei Männer oder zwei Frauen sich küssen«, warum<br />
sie in Wut geraten, wenn sie Frauen mit muslimischem Kopftuch sehen etc. pp.<br />
Problemkomplex (3): Fehlende Handlungsorientierung<br />
Ein dritter Problemkomplex besteht aus meiner Sicht darin, dass Bildungsarbeit<br />
(auftragsgemäß) oft darauf beschränkt bleibt, individuelle Denkweisen zu reflektieren<br />
ohne die gewonnenen Erkenntnisse in konkrete praktische Projekte im überindividuellen<br />
Maßstab zu überführen. Auf diese Weise bleibt – gesetzt den Fall,<br />
die Teilnehmer/innen lernen tatsächlich in etwa das Intendierte – der Praxisbezug<br />
tendenziell auf die Handlungsspielräume der Teilnehmer/innen als Privatpersonen<br />
(oder Professionelle) begrenzt. Insofern im antirassistischen Verständnis davon<br />
ausgegangen wird, dass Rassismus als gesellschaftliches Verhältnis nicht individuell,<br />
sondern nur in Größenordnungen kollektiver Handlungsmacht überwunden<br />
werden kann, wäre es allerdings sinnvoll, konkrete Projekte in Bezug auf die beruflichen<br />
oder privaten Kontexte der Teilnehmer/innen zu entwickeln.<br />
Fazit: Widerstandspotenziale in Staat und Zivilgesellschaft<br />
Eine Antwort auf die Frage, ob und inwieweit Bildungsarbeit die im Rahmen der<br />
rot-grünen Kampagne gegen Rechtsextremismus eröffneten Spielräume zur Stärkung<br />
antirassistischer/antifaschistischer Kräfte genutzt hat, kann nur unter folgenden<br />
Einschränkungen gegeben werden: Wenn es stimmt, dass die Formation des<br />
Toleranz/Akzeptanz-Ansatzes in dieser Phase dominant war, und wenn die angesprochenen<br />
Problemkomplexe antirassistischer Bildungsarbeit relativ weit verbreitet<br />
waren, dann fällt auf, dass strukturelle Dimensionen von Rassismus und<br />
die Entwicklung kollektiver Handlungsfähigkeit tendenziell ausgeblendet blieben<br />
– oder zumindest unklar ist, ob und wie sie vermittelt wurden. In Bezug auf die<br />
Toleranz/Akzeptanz-Formation ist dies sicherlich mehr der Widersprüchlichkeit<br />
(in Staat und Zivilgesellschaft) geschuldet, zugleich mit dem ernsthaften<br />
Bemühen, Rechtsextremismus/Rassismus einzudämmen in der Tiefenströmung<br />
deren Nährboden zu (re)produzieren, und dementsprechend genau diese Zusammenhänge<br />
auszublenden. In Bezug auf die antirassistische Formation aber lässt<br />
sich festhalten, dass sie ihren Anspruch, die Grenzen des Toleranzansatzes in<br />
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