Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung
Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung
Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
einer Entwicklung hin zum autoritären Staat, die sich alle irgendwie dann doch als<br />
falsch erwiesen, dass allein schon die Geste der Warnung verbraucht wirkt. Doch<br />
es ist ja nicht so, dass vergleichbar der Situation in der Weimarer Republik prominente<br />
Vertreter des bürgerlichen Lagers für die Beseitigung der <strong>Demokratie</strong> eintreten.<br />
Die <strong>Demokratie</strong> im Sinne der parlamentarisch-repräsentativen <strong>Demokratie</strong><br />
genießt im offiziellen Sprachgebrauch und unter den Eliten eine breite Unterstützung.<br />
Wie oben angesprochen, scheint sich eher die breite Bevölkerung autoritärstaatlich<br />
zu orientieren.<br />
Theoretisch macht es auch keinen Sinn, von einem langanhaltenden Verfall der<br />
<strong>Demokratie</strong> zu sprechen. Dies würde zuviele historische Phasen außer Betracht<br />
lassen, in denen insbesondere in Deutschland autoritäre Staatsformen bestanden.<br />
Zudem könnte nicht berücksichtigt werden, dass die westdeutsche <strong>Demokratie</strong> als<br />
autoritäre Kanzlerdemokratie konstituiert wurde. Allgemeiner noch bliebe außer<br />
Acht, dass in vielen OECD-Staaten das allgemeine, gleiche Wahlrecht erst nach<br />
dem Ersten und, in einer zweiten Welle, nach dem Zweiten Weltkrieg eingeführt<br />
wurde, Formen der sozialen <strong>Demokratie</strong> sich bislang in ganz kleinen Ansätzen<br />
durchsetzen konnten. Erst seit den 1970er Jahren ist der Entkolonialisierungsprozess<br />
soweit fortgeschritten, dass der imperialistisch-koloniale Charakter der<br />
führenden kapitalistischen Gesellschaften überwunden ist und diese gezwungen<br />
wurden, sich eine <strong>neue</strong> postkoloniale Staatsform zu geben.<br />
Wenn überhaupt, wäre in den 1970er Jahren der Zeitpunkt gewesen, überhaupt<br />
erst in eine 'nationale Konstellation' einzutreten, doch real gerieten viele der sich<br />
neu gründenden Nationalstaaten in einen Prozess des Staatszerfalls, während die<br />
führenden kapitalistischen Staaten, allen voran die Staaten der EWG und EG,<br />
<strong>neue</strong> politische und Staatsformen entwickelten, in denen die Politik der herrschenden<br />
Kräfte ausgearbeitet wird. Solche Arkanpolitiken hiner verschlossenen<br />
Türen auf internationalen Foren ermöglichen es, Kompromisse mit den subalternen<br />
Klassen zu vermeiden.<br />
Diese kurzen Andeutungen sollen besagen, dass es keine säkularen Trends einer<br />
Zunahme des autoritären Charakters des kapitalistischen Staates gibt. Allerdings<br />
schließen, und darauf haben so unterschiedliche Autoren wie Hannah Arendt,<br />
Theodor W. Adorno, Michel Foucault oder Nicos Poulantzas hingewiesen, die Form<br />
der kapitalistischen Vergesellschaftung, der kapitalistische Staat und eine Reihe<br />
von Machttechnologien wie Disziplin und sozialstaatliche Normalisierungspraktiken,<br />
die Bevölkerungsregulierung und individuelle Verhaltenslenkung oder der<br />
autoritäre Populismus, wie sie in Fabrik, Büro, Schule, Militär, Familie oder Politik<br />
zur Anwendung gelangen, totalitäre Elemente ein. Sie prägen die Gesellschaft,<br />
ihre Gewohnheiten und Praktiken – sie werden vorgehalten und können je nach<br />
Stand der Kräfteverhältnisse sich auch derart verknüpfen, dass es erneut zu autoritären<br />
Formen politischer Herrschaftsausübung kommt. Da die autoritär-totalitären<br />
Elemente in Kämpfen um <strong>Demokratie</strong> auch immer wieder zurückgedrängt<br />
werden, müssen sie von den herrschenden Kräften mit mächtigen Ressourcen<br />
74