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Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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waltphänomen ist, sondern auch, dass proto-faschistisches Material sowohl von<br />

oben als auch von unten in besagter »Mitte der Gesellschaft« produziert wird.<br />

Ende der 1980er bis Anfang der 1990er Jahre handelte es sich dabei – neben dem<br />

nationalen Taumel der Wiederbereinigung – um die Kampagne zur Abschaffung<br />

des individuellen Rechts auf Asyl. 5 Auf diese Kampagne wurde von unten konformistisch<br />

geantwortet, wofür exemplarisch die Tage von Rostock im August 1992<br />

stehen: Der von organisierten Neonazis angeheizte Mob wird von den umherstehenden<br />

›normalen‹ Bürger/innen unterstützt, die Polizei versagt, und geht dann<br />

hauptsächlich gegen die den Opfern zur Hilfe eilenden Antifaschistinnen vor, Innensenator<br />

und Innenminister finden kein Wort des Bedauerns für die Opfer, sondern<br />

werten die militanten Ausschreitungen als weiteren Beleg dafür, dass das<br />

Boot voll und der § 16 GG endlich zu schleifen sei – im Selbstverständnis der Protagonisten<br />

übrigens als antirassistische Maßnahme.<br />

Vor diesem Hintergrund war die der Jugend(sozial)arbeit in der Kampagne zugewiesene<br />

zentrale Rolle tatsächlich eine Zumutung. Zugespitzt formuliert sollte<br />

sie unter sonst gleich bleibenden rassistischen Verhältnissen und rechtsextremer<br />

kultureller Dominanz in manchen Kommunen Ostdeutschlands (potenzielle) Gewalttäter<br />

in den Schoß einer Gemeinschaft holen, der sie ideologisch längst angehörten.<br />

Allerdings wurde diese Zumutung vielerorts auch auf der Grundlage der<br />

Konjunktur eines Konzeptes angenommen, das unter komplett anderen gesellschaftlichen<br />

Kräfteverhältnissen Ende der 80er Jahre in Bremen entwickelt worden<br />

war. Außerschulische Bildungsarbeit spielte als Maßnahme in dieser Kampagne<br />

überhaupt keine Rolle. Gewalt hatte nach der damals gängigen These ihre Ursache<br />

unmittelbar in der Desorientierung von Modernisierungsverlierern, deren Denken<br />

in dem konzeptionellen Kurzschluss zwischen Desintegration-Verunsicherung und<br />

Gewalt ausgeblendet wurde bzw. sekundär blieb. Die Frage nach der ideologischen<br />

Verschiebung, der relativen Eigenständigkeit von Ideologie und danach, warum<br />

denn die einen ethnisierende und rassistische Denk- und Praxisformen für plausibel<br />

halten und leben, andere aber nicht, wurde nicht gestellt. Für Bildungsarbeit<br />

gab es also keinen Anlass, zumal sie vielleicht einen wie auch immer rudimentären<br />

Zusammenhang zwischen Gewalt, rechtsextremem Denken und dessen Verbreitung<br />

in der »Mitte der Gesellschaft« hätte herstellen können.<br />

Bildungsarbeit in der rot-grünen Kampagne gegen Rechtsextremismus<br />

Die rot-grüne Kampagne gegen Rechtsextremismus, die im Sommer 2000 anlief,<br />

setzte deutlich andere Akzente. Wohlwollend zugespitzt formuliert, nahm sie den<br />

5 »Die Kernelemente des am 1. Juli 1993 in Kraft getretenen ›Asylkompromisses‹ stellen die Drittstaatenregelung<br />

und das Institut der sogenannten sicheren Herkunftsländer dar. Flüchtlinge, die aus diesen Staaten stammen, bzw.<br />

über diese in die Bundesrepublik eingereist sind, können sich nicht mehr auf Artikel 16 des Grundgesetzes berufen.<br />

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen können unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen<br />

werden (§ 26a AsylVfG)… Somit ist nicht mehr die eigentliche politische Verfolgung entscheidend für die<br />

Anerkennung als Asylberechtigter, sondern der Fluchtweg.«<br />

http://www.puk.de/ai-dortmund/asyl/wegweiser/kapitel5.htm.<br />

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