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Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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2. Die Simulation der <strong>Demokratie</strong><br />

Es ist in den vergangen Jahren viel über Mediendemokratie, Zuschauerdemokratie,<br />

inszenierte <strong>Demokratie</strong>, aber auch über Politik- und Parteienverdrossenheit als<br />

Reaktionsweisen auf den damit bezeichnet Strukturwandel geschrieben worden.<br />

Die entsprechenden Publikationen reichen von populärwissenschaftlichen, wenn<br />

nicht gar populistischen Abrechnungen mit der ›politischen Klasse‹ bis hin zu seriösen<br />

politikwissenschaftlichen Abhandlungen. Folgt man etwa dem Bild, das<br />

Colin Crouch entwirft, so sind zwar die Institutionen der parlamentarischen <strong>Demokratie</strong><br />

– periodische Wahlen, Wahlkämpfe, Parteienkonkurrenz, Gewaltenteilung<br />

– formal gesehen völlig intakt. Doch stimmt die dahinterstehende Figur der<br />

Legitimation politischen Handelns durch die Partizipation des Volkes kaum noch<br />

mit den realen Gegebenheiten überein. »My central contentions are that, while the<br />

forms of democracy remain fully in place – and today in some respects are actually<br />

strengthened – politics and government are increasingly slipping back into<br />

the control of privileged elites in the manner characteristic of predemocratic times;<br />

and that one major consequence of this process is the growing impotence of<br />

egalitarian causes.« 15<br />

Der öffentliche Wahlkampf ist Crouch zufolge ein fest kontrolliertes Spektakel,<br />

welches von rivalisierenden Teams professioneller Spindoctors organisiert wird.<br />

Sie bestimmen die politische Agenda durch die Auswahl und anschließende Inszenierung<br />

von wenigen Themen, die zudem immer stärker personalisiert werden.<br />

Die Menge der Bürger spielt dabei lediglich eine passive, stille, bisweilen gar apathische<br />

Rolle, unfähig zur eigenen Gestaltung der politischen Auseinandersetzung.<br />

Im Rücken dieser Inszenierung des »Wahlspiels« findet dann der tatsächliche<br />

politische Prozess statt, und zwar in Form einer privatisierten Interaktion<br />

zwischen gewählten Regierungen und Eliten, die größtenteils die Interessen wirtschaftlich<br />

starker Akteure vertreten.<br />

Das Phänomen einer Inszenierung ist indes alles andere als neu. So hat bereits<br />

Platon in seinen »Nomoi« die <strong>Demokratie</strong> als eine »Theatrokratie« bezeichnet.<br />

Und spätestens seit den 20er Jahren des 20. Jahrhundert gehört die Entlarvung einer<br />

demokratischen Öffentlichkeit, in der mit Argumenten über das Gemeinwohl<br />

gestritten wird, als bloße Illusion zum Standardrepertoire einer soziologischen<br />

»Aufklärung«. 16 Wenn hier dennoch davon ausgegangen wird, dass das Phänomen<br />

der »symbolischen Politik« (Murray Edelman) eine <strong>neue</strong> Qualität erreicht hat,<br />

dann geschieht dies vor dem Hintergrund der im vorigen Abschnitt beschriebenen<br />

Entdemokratisierungsprozesse. Die These ist die einer Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen.<br />

Denn, wenn die Beobachtung zutreffend ist, dass immer mehr Ent-<br />

15 Colin Crouch: Post Democracy. Themes for the 21 st Century Crouch. Cambridge 2004, S. 6.<br />

16 Vgl. Walter Lippmann: Public Opinion, New Brunswick. NJ [u. a.] 1991 [1922]; Joseph A. Schumpeter: Kapitalismus,<br />

Sozialismus und <strong>Demokratie</strong>. München 1950 [1942].<br />

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