Schöne neue Demokratie - Rosa-Luxemburg-Stiftung
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Ebensowenig sind sich die neokonservativen Verfechter des Begriffs einig, ob<br />
angesichts der <strong>neue</strong>n weltpolitischen Situation ein American Empire erst hergestellt<br />
werden müsse, wir uns also noch auf dem »road to empire« (James Kurth)<br />
befinden, ob es demgegenüber womöglich ein American Empire bereits gibt (und<br />
es verteidigt oder ausgedehnt werden müsse) 38 und ob wir es in diesem Fall mit<br />
einem rising empire zu tun haben (so dereinst die Formulierung eines George<br />
Washington im März 1783) – entsprechend variieren die Begründungen für eine<br />
im Endeffekt gleichermassen revisionistische Politik. Schließlich ist die Entstehung<br />
eines Empire kein Ereignis, sondern ein Prozess. Auch hier gibt es allerdings<br />
charakteristische Veränderungen: Seit Ende 2002 häuften sich Stimmen aus dem<br />
neokonservativen Lager, wonach die USA bereits mitten im Empire-Business<br />
steckten und die schlichte Frage sei: »How do we manage this world?« 39 Nahe<br />
liegt eine nächste Argumentation: dass es das American Empire schon sehr lange<br />
gegeben habe – und es dieses Empire noch sehr lange geben werde. 40<br />
Weiter besteht auch unter den neokonservativen Intellektuellen keineswegs Einigkeit,<br />
wer und was denn eigentlich zum American Empire zu rechnen sei. Eine<br />
recht atemberaubende Zielsetzung publizierte noch vor Nineeleven James Kurth<br />
vom Swarthmore College in der neokonservativen Theoriezeitschrift The National<br />
Interest in einem Artikel, dessen Überschrift »The Next NATO« untertitelt war<br />
mit »Building an American Commonwealth of Nations«. Globalisierung, so Kurth,<br />
meine nichts anderes als die Globalisierung des »American way« und eine buchstäbliche<br />
Expansion der USA. Europa als der am stärksten amerikanisierte Teil der<br />
Welt müsste einem erweiterten Amerika angehören. »Amerika« müsse also neu<br />
definiert werden: »Worum es in Wirklichkeit geht … sind nicht einfach amerikanische<br />
Interessen oder amerikanische Ideale. Es geht um amerikanische Identität,<br />
vor allem um die Neuerfindung der amerikanischen Identität durch die politischen,<br />
ökonomischen und kulturellen Eliten, um sie für die <strong>neue</strong> Ära der Globalisierung<br />
zu rüsten. Während Amerika bei weitem die stärkste Macht und die größte Ökonomie<br />
auf dem Globus ist, glauben diese Eliten, dass es nicht länger ausreicht für<br />
Amerika, nur aus dem nordamerikanischen Kontinent und nur aus Amerikanern<br />
zu bestehen; diese Definition von Amerika ist überholt … es ist noch nicht möglich<br />
für Amerika gleichermaßen auf jedem Kontinent zu existieren und gleicher-<br />
38 Ähnlich auch der wissenschaftsinterne richtungsübergreifende Dissens darüber, ob es mittlerweile ein unipolares<br />
System gibt (z. B. Kagan, Krauthammer) oder ob wir es (noch) mit einem multipolaren zu tun haben (z. B. Mearsheimer,<br />
Rabkin).<br />
39 So die Fragestellung eines Interviews mit Robert D. Kaplan in Atlantic Unbound v. 16. 6. 2003. S. a. Niall Ferguson:<br />
The »E« Word. Admit it: America is an empire. In: Wallstreet Journal v. 7. 6. 2003: »If this isn’t imperial<br />
power, I don’t know what is … we will have cause to celebrate the advent of this American empire.«<br />
40 So Niall Ferguson: Colossus: The Price of America’s Empire. New York 2004, nach dessen Ansicht die USA<br />
schon lange ein liberales Empire waren und das Problem nicht ist, dass es zu viel, sondern das es zu wenig American<br />
Empire gibt, weil seine Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt und auch zur Okkupation von Territorien<br />
gegenüber der Fülle <strong>neue</strong>r »failed states« zurückbleibe, deren »partial or complete suspension of their national<br />
sovereignty« (S. 170) ins Auge zu fassen sei. Boot, Ferguson, Kaplan, Rosen und Kurth sind sicherlich die<br />
schneidigsten neokonservativen Empire-Liebhaber.<br />
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