Vollständiger Abschlussbericht als pdf-Download - Veränderungen ...
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<strong>Abschlussbericht</strong> der Tunesienexkursion<br />
befindet sich somit in einem Lernprozess, wie sie den öffentlichen Raum für freien<br />
Meinungsaustausch nutzen können. Heute könnten die Menschen den öffentlichen Raum<br />
in Tunesien „frei“ und ohne Angst vor Repressionen nutzen, erklärt Chamkhi (ebd.). Eine<br />
Veränderung, die zu beobachten sei, ist, dass die Bürger ohne Angst an dem<br />
Stacheldraht und den Panzern, an den Soldaten und Polizisten vorbeigehen würden<br />
(ebd.). Diese Aussage wird jedoch nicht von allen Interviewpartnern geteilt. So korrigiert<br />
die Partei Ennahda, das es trotz der Befreiung des öffentlichen Raumes am 14. Januar<br />
immer noch Kontrollen durch die Polizei gibt. Korruption sei ein zusätzliches Problem.<br />
Statt einer „hundertprozentigen“ Freiheit sei der öffentliche Raum „mehr oder weniger frei“<br />
(vgl. Anhang A.10, I 1). Mabrouk, Gründer der Afkar, sieht dieses Problem in der noch<br />
unveränderten Gesetzeslage (ebd.). Menschen könnten nach geltender Rechtslage<br />
weiterhin wegen Kritik an den Autoritäten verhaftet werden. Die Repressionen seien nicht<br />
so stark wie vor und während der Revolution, aber laut Mabrouk existieren sie noch und<br />
könnten legal im öffentlichen Raum angewendet werden (ebd.).<br />
Ein plötzlich von Regulation befreiter öffentlicher Raum führt zu neuen Nutzungskonflikten<br />
verschiedener Akteure und verschiedener gesellschaftlicher Schichten (vgl. Anhang A.10,<br />
I 3). Als zentrales Beispiel ist die neue Situation auf der Avenue Habib Bourguiba, auf<br />
dem Place de la Victoire und in den umgebenden Straßen zu nennen. Dort entstanden<br />
Straßenstände mit unangemeldeten Händlern, die ihre Stände auf den Gehwegen<br />
aufbauen, wodurch Passanten und der Verkehrsfluss behindert werden (vgl. Anhang<br />
A.10, I 3). Die Verkäufer kommen meist aus den sozial schwächer gestellten Vierteln von<br />
Tunis oder aus dem Umland und nutzen die derzeitige rechtliche Grauzone <strong>als</strong><br />
Gelegenheit für eine Einnahmequelle. Viele Ladenbesitzer fühlen sich benachteiligt, weil<br />
die Händler auf der Straße nicht erfasst sind und dadurch keine Steuern zahlen müssen.<br />
Die Regierung nutzte die finale Zeit des Ramadan allerdings, um ein Gesetz zu erlassen,<br />
welches den Straßenhändlern verbietet in den Straßen ihre Stände aufzubauen (vgl.<br />
Anhang A.10, I 3). In diesem Nutzungskonflikt wurden die Bedürfnisse der sozial<br />
schwächer gestellten Gesellschaftsschicht nicht gleich behandelt. Akteure, wie die<br />
Ladenbesitzer, aber auch eine wohlhabende Gesellschaftsschicht, die sich von der<br />
Nutzung des öffentlichen Raumes durch die Straßenhändler gestört fühlten, konnten mehr<br />
Einfluss auf die Rahmenbedingungen des öffentlichen Raumes ausüben. Das Beispiel<br />
zeigt auch, dass der öffentliche Raum, wie von Mabrouk berichtet, zunehmend wieder<br />
reguliert werde (vgl. Anhang A.10, I 1). Die Regelungen zu den Straßenhändlern wurden<br />
mit verstärkter Polizeipräsenz im öffentlichen Raum durchgesetzt. Dies bestätigt die<br />
Freie Universität Berlin – Geographische Wissenschaften 114