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Romanist: Im Dienste der deutschen Nation - KOBRA - Universität ...

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„lecherie“ 1070 . Man sehe diesen Drang aber auch in <strong>der</strong> gesellschaftlichen Unterhaltung und<br />

<strong>der</strong> französischen Vorliebe für die „wesentlich frauenhafte“ Briefkultur. Genannt werden als<br />

Beispiele die Briefe von Madame de Sévigné und Madame de Maintenon, aber auch von<br />

Balzac, Delacroix, Fromentin, Flaubert, den Brü<strong>der</strong>n Goncourt, Chateaubriand, Lamartine,<br />

Renan, Daudet, Rémy de Gourmont und Gide. Bei dieser Aufzählung von Namen mit deutlich<br />

männlichem Übergewicht muss man sich doch fragen, was daran das „wesentlich<br />

frauenhafte“ sei. Diese Briefkultur repräsentiere jedenfalls das Haschen von „sensation zu<br />

sensation“ 1071 . Auch in <strong>der</strong> Literatur seien <strong>der</strong> Hang zum „Naschen und Nippen“, das<br />

leichtfüßige, leicht bewegliche „Haschen“ zu erkennen, so u. a. bei Montaigne, Rabelais,<br />

Corneille, Molière und Racine, die „seltsames Ineinan<strong>der</strong>spielen gegensätzlicher Strebungen“<br />

zeigen, ohne dass großartig danach gefragt würde, „ob dieses Ganze vielleicht von inneren<br />

Wi<strong>der</strong>sprüchen auseinan<strong>der</strong>klafft“ 1072 . Dies habe den französischen geist immer beweglich<br />

gehalten:<br />

„Auf diesem Geistesboden wählerischer Plau<strong>der</strong>ei, die den Ernst im Scherz versteckt, doch<br />

nicht ertötet, gedeiht dort seit Jahrhun<strong>der</strong>ten gefällige Kunst, woran sich Jung und Alt<br />

Geschmack und Urteil bildet“ 1073 .<br />

Für die Deutschen trifft natürlich „auch hier genau das Gegenteil“ zu.<br />

Die Deutschen befolgten nämlich das Prinzip des „Alles o<strong>der</strong> Nichts“, Worte wie<br />

„bevorzugen“ und „auswählen“ hätten einen schlechten Nebensinn 1074 . Ein Deutscher gebe<br />

sich ganz dem Essen o<strong>der</strong> Trinken hin, ganz <strong>der</strong> Arbeit o<strong>der</strong> ganz <strong>der</strong> Freude: „In ihm befiehlt<br />

die Stimme des Unbedingten“ 1075 . O<strong>der</strong> noch enthusiastischer und pathetischer ausgedrückt,<br />

als es um das „freie Wan<strong>der</strong>n“ geht, das <strong>der</strong> Deutsche „aus ganzem Herzen“ anwende und das<br />

für ihn we<strong>der</strong> Sport – wie für den Englän<strong>der</strong> – noch Mittel - wie für den Franzosen – ,<br />

son<strong>der</strong>n etwas ganz an<strong>der</strong>es sei: Das Wan<strong>der</strong>n sei „wahrhafter und heiliger Genuß des<br />

Daseins, Bewusstsein eigenen Kraftgefühls und Ahnung ewigen Geistes“. Hier seien „alle<br />

Grundgefühle <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Seele vereinigt, wie „Gefühl des Ich, <strong>der</strong> natürlichen und<br />

unendlichen Welt, Ernst, Stetigkeit, Nachdruck und Werdedrang“, „Arbeitslust und Hingabe<br />

an ein Ganzes“:<br />

1070 Ebenda, S. 172.<br />

1071 Ebenda, S. 175.<br />

1072 Ebenda, S. 177.<br />

1073 Ebenda, S. 176.<br />

1074 Ebenda, S. 178.<br />

1075 Ebenda, S. 179.<br />

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