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Romanist: Im Dienste der deutschen Nation - KOBRA - Universität ...

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„Es ist die `Politisierung des Geistes´, die Umfälschung des Geist-Begriffes in den <strong>der</strong><br />

besserischen Aufklärung, <strong>der</strong> revolutionären Philanthropie, was wie Gift und Operment auf<br />

mich wirkt; und ich weiß, daß dieser mein Abscheu und Protest nichts unbedeutend<br />

Persönliches und zeitlich Bestimmtes ist, son<strong>der</strong>n daß in ihm das nationale Wesen selbst aus<br />

mir wirkt. Geist ist nicht Politik […]. Der Unterschied von Geist und Politik enthält den von<br />

Kultur und Zivilisation, von Seele und Gesellschaft, von Freiheit und Stimmrecht, von Kunst<br />

und Literatur; und Deutschtum, das ist Kultur, Seele, Freiheit, Kunst und nicht Zivilisation,<br />

Gesellschaft, Stimmrecht, Literatur. Der Unterschied von Geist und Politik ist, zum weiteren<br />

Beispiel, <strong>der</strong> von kosmopolitisch und international.“ 273<br />

Die Intellektuellen und <strong>der</strong> Weltkrieg<br />

Dazu passte, dass die meisten <strong>deutschen</strong> Gelehrten, so Ringer, den Beginn des<br />

1.Weltkrieges zunächst erleichtert begrüßt hatten 274 , denn „ [sie] freuten sich über die<br />

offenkundige Renaissance des `Idealismus´ in Deutschland. Sie feierten den Tod <strong>der</strong> Politik,<br />

den Triumph letzter, unpolitischer Ziele über kurzfristige Interessen und die Wie<strong>der</strong>belebung<br />

jener moralischen und irrationalen Ursprünge des gesellschaftlichen Zusammenhalts, die<br />

durch die `materialistische´ Kalkulation <strong>der</strong> wilhelminischen Mo<strong>der</strong>ne bedroht gewesen<br />

waren.“ 275<br />

273 Mann, Thomas: Betrachtungen eines Unpolitischen. Frankfurt a. M. 2001, S. 52. Die „Betrachtungen eines<br />

Unpolitischen“ entstanden zwischen 1915 und Anfang 1918 und erschienen zuerst 1918. Hier entwirft Mann<br />

seine Erklärung politischer Vorgänge durch die Gegenüberstellung von „Kultur“ und „Zivilisation“. Die<br />

„deutsche Seele“ strebe nach einer höheren Ordnung <strong>der</strong> „Kultur“, in <strong>der</strong> westlichen Welt herrsche die<br />

normierende „Zivilisation“, eine nur auf einem formalen Stimmrecht beruhende Demokratie. Mann griff damit<br />

auf romantisch-vitalistische Argumentationsweisen zurück und stellte dem westlichen Demokratiebegriff das<br />

mystische Gebilde <strong>der</strong> „Innerlichkeit“ <strong>der</strong> „<strong>deutschen</strong> Seele“ gegenüber, aus <strong>der</strong> eine „höhere Ordnung“<br />

erwachse.<br />

274 So auch Thomas Mann, <strong>der</strong> den Kriegsausbruch in seinem Aufsatz „Gedanken im Kriege“, in: Neue<br />

Rundschau, November 1914, als „Reinigung, Befreiung“ feierte, als „ungeheure Hoffnung“, <strong>der</strong> „gräßliche[n]<br />

Welt“ des Friedens zu entfliehen: „Wimmelte sie nicht vom Ungeziefer des Geistes wie von Maden? Gor und<br />

stank sie nicht von den Zersetzungsstoffen <strong>der</strong> Zivilisation? […] wie hätte <strong>der</strong> Künstler, <strong>der</strong> Soldat im Künstler<br />

nicht Gott loben sollen für den Zusammenbruch einer Friedenswelt, die er so satt, so überaus satt hatte!“<br />

(Ebenda.). In den „Betrachtungen eines Unpolitischen“ sieht Mann den ersten Weltkrieg schließlich als „Protest"<br />

Deutschlands gegen den „<strong>Im</strong>perialismus <strong>der</strong> Zivilisation, den Deutschland mit einem wahrhaft germanischen<br />

Gehorsam gegen sein Schicksal […]auf sich genommen hat" (Vgl. Mann, Thomas, s.o., S. 44). – Die<br />

Unterscheidung zwischen „Zivilisation“ und „Kultur“ hatte bereits Kant im Jahre 1784 getroffen. Zivilisation<br />

bedeutete für ihn gute Manieren und gesellschaftlicher Schliff, Kultur dagegen Kunst, Wissenschaft und<br />

Sittlichkeit, und zwar in einer Zeit <strong>der</strong> übermäßigen Zivilisation und mangelnden Kultur. Er schrieb aber nicht<br />

ausdrücklich den Franzosen die „Zivilisation“ zu, „doch einige seiner Landsleute gingen bald darauf dazu über.<br />

Auf jeden Fall war bereits zur Zeit Napoleons `Kultur´ deutsch und `Zivilisation´ französisch“. Vgl. Ringer, Fritz<br />

K., s.o., S.84<br />

275 Ringer, Fritz K., s.o., S. 169.<br />

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