3. Serbski dom Budyšin a Choćebuz - Stiftung für das sorbische Volk ...
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Sorbisches Doktorandenprogramm 147<br />
11 Investition in die Funktionselite:<br />
Sorbisches Doktorandenprogramm<br />
Die Entwicklung eines <strong>Volk</strong>es ist immer<br />
abhängig von der Existenz einer Funktionselite,<br />
die sich <strong>für</strong> die Belange des eigenen<br />
<strong>Volk</strong>es tatkräftig einzusetzen gewillt<br />
und hierzu fähig ist. Im Verlauf der letzten<br />
800 Jahre europäischer Geschichte hat<br />
sich hierzu als formales Kriterium die<br />
Abstraktionskompetenz, gespiegelt in<br />
einem akademischen Doktoratsverfahren,<br />
<strong>für</strong> etwa 2% der Bevölkerung als relevante<br />
Kenngröße erwiesen, traditionell komplementiert<br />
durch ca. weitere 5% der jeweiligen<br />
Alterskohorte mit einem akademischen<br />
Abschluß.<br />
Seit dem 14. Jahrhundert vollzieht sich der<br />
Assimilationsdruck der deutschen Mehrheitsbevölkerung<br />
auf die <strong>sorbische</strong> Minderheit<br />
in unterschiedlicher Heftigkeit: Je<br />
spezialisierter die angestrebte Funktion ist,<br />
desto weniger läßt sich eine solche Position<br />
innerhalb der sorbischsprachigen Gemeinschaft<br />
auffinden und ausfüllen. Migration<br />
aus den immer mehr schrumpfenden<br />
<strong>sorbische</strong>n Enklaven wird zwar nicht<br />
absolut, aber doch <strong>für</strong> wichtige Teile der<br />
nachwachsenden Schichten stetig unvermeidlicher.<br />
Dies führt zum gegenwärtigen Befund,<br />
daß es derzeit offensichtlich keinen promovierten<br />
<strong>sorbische</strong>n Musikwissenschaftler<br />
gibt, der sich in der Doppelbefähigung<br />
seiner Verbundenheit mit der <strong>sorbische</strong>n<br />
Musikgeschichte einerseits, dem gegenwärtigen<br />
musikologischen Wissen andererseits<br />
adäquat um die <strong>sorbische</strong> Musik<br />
kümmern könnte. Nicht viel anders sieht<br />
es im Bereich der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften<br />
etc. aus, also praktisch<br />
überall dort, wo nicht durch die parastaatliche<br />
Personalstellenplanung der <strong>Stiftung</strong><br />
Raum <strong>für</strong> eine <strong>sorbische</strong> Funktionselite<br />
geschaffen wurde.<br />
In dieser Situation wird empfohlen im<br />
Lauf der kommenden 10 Jahre einen bestimmten<br />
Anteil der staatlichen Sorbenförderung<br />
da<strong>für</strong> zu verwenden, insgesamt<br />
100 Doktorandenstipendien zu finanzieren.<br />
Die Stipendien sollten in allen denkbaren<br />
Wissenschaftszweigen vergeben werden,<br />
entsprechend der Verteilung der Promotionsabschlüsse<br />
innerhalb der deutschsprachigen<br />
Mehrheitsgesellschaft (soviel Ärzte,<br />
Juristen, Chemiker, Agrarwissenschaftler<br />
etc. wie im Durchschnitt der Jahre absolviert<br />
haben, um einen kleinen Spiegel des<br />
großen Ganzen zu erhalten). Zugangsvoraussetzungen<br />
hierbei kann natürlich kein<br />
„Abstammungsnachweis“ sein, sondern<br />
eine Sprachprüfung auf dem Niveau C 1. 1<br />
Die Höhe der Stipendien orientiere sich<br />
am in der Wissenschaftswelt üblichen<br />
1.033,00 € + Büchergeld <strong>für</strong> zwei Jahre fix<br />
mit der Option auf ein drittes Jahr Förderung.<br />
Selbstverständlich kann der Promotionsort<br />
weltweit gewählt werden, allerdings<br />
ist Bestandteil der Stipendien ein<br />
jährlich jeweils fünfwöchiges Praktikum<br />
am Sorbischen Institut, hiervon zwei Wochen<br />
Doktorandentreffen mit Bericht über<br />
den jeweiligen Stand der Forschungsvorhaben,<br />
zudem drei Wochen Einsatz als<br />
1 Da Sorbisch vorwiegend <strong>für</strong> mündliche Äußerungen<br />
genutzt wird, kann außerhalb des Kreises<br />
der sprachwissenschaftlich Interessierten<br />
auch bei Muttersprachlern nicht von vorneherein<br />
volle Lese- und Schreibkompetenz vorausgesetzt<br />
werden. Daher C 1 statt C 2.