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Text: Dr. Christine Backhaus<br />
SZENEN EINER<br />
(WIRTSCHAFTS-)GESCHICHTE<br />
10<br />
Das Land Bremen: wie es wurde, was es ist<br />
Am 1. Juni 1646 – es ist ein Freitag in der Endphase des<br />
Dreißigjährigen Krieges –, sitzt Kaiser Ferdinand III. im<br />
Schloss zu Linz an der Donau und setzt seine Unterschrift<br />
auf einen pergamentenen Bogen. „Wir, Ferdinand der<br />
Dritte von Gottes Gnaden erwählter Römischer Kaiser“,<br />
steht da geschrieben, „bekennen, dass die Stadt Bremen<br />
von uralten Zeiten her des Heiligen Römischen Reichs<br />
unmittelbare freie Reichsstadt gewesen und daher Uns<br />
und dem Heiligen Reich allein und ohne Mittlerstelle<br />
untertthan ist [...].“ Ein großes, rotes kaiserliches Siegel<br />
haftet auf der Urkunde und verleiht ihr einen einzigartigen<br />
historischen Rang. Es ist „die Geburtsurkunde der neu -<br />
zeitlichen <strong>bremisch</strong>en Eigenständigkeit“, sagt Konrad<br />
Elmshäuser, Chef des Bremer Staatsarchivs.<br />
halt in Bremen jährlich verfügen kann. Außerdem soll viel<br />
Schmiergeld geflossen sein.<br />
Gut 360 Jahre später rechnet ein Bremer Kaufmann nach,<br />
welchen kapitalen Buchwert Bremens Freiheitsurkunde<br />
mittlerweile verkörpert. „Würde uns heute der Status als<br />
selbstständiges Bundesland genommen“, so Patrick<br />
Wendisch 2005 anlässlich der Schaffermahlzeit, „müsste<br />
die Bundesregierung als legitime Rechtsnachfolgerin des<br />
Deutschen Reiches nach heutiger Kaufkraft mit Zins und<br />
Zinseszins 102 Milliarden Euro zurückerstatten – bei 2,5<br />
Prozent Zinsfuß. Bei 4 Prozent 19 Billionen = 19 000 Milliarden<br />
Euro und bei 6 Prozent 18 Billiarden Euro, das ist eine<br />
18 mit 15 Nullen.“<br />
„kopmann tho bremen“<br />
Das Linzer Diplom belegt, dass die Freie Hansestadt<br />
Bremen eine der ältesten heute noch bestehenden<br />
Republiken in Europa ist. Es besiegelt faktisch die seit dem<br />
13. Jahrhundert den Erzbischöfen abgetrotzte Unabhän -<br />
gigkeit Bremens und legt den Grundstein für eine bis<br />
heute bestehende Sonderstellung Bremens in der Bundesrepublik<br />
Deutschland. Für ihre beurkundete Freiheit<br />
im 17. Jahrhundert müssen die Bremer Bürger aber teuer<br />
bezahlen: 100 000 Gulden verlangt und bekommt der<br />
Kaiser – in etwa die Summe, über die der städtische Haus -<br />
Rechnen war schon immer eine Stärke des „kopmann tho<br />
bremen“ – über Jahrhunderte hinweg eine der prägenden<br />
Figuren der <strong>bremisch</strong>en Geschichte, die Bedeutung von<br />
Handel und Schifffahrt verkörpernd, selbstbewusst die<br />
wirtschaftlichen Interessen Bremens vertretend, immer im<br />
streitbaren Dialog mit der politischen Macht um Wohl und<br />
Wehe des (heute) 400 Quadratkilometer großen Gemeinwesens.<br />
Ratsherren und Kaufleute sind die historisch<br />
bestimmenden Machtfaktoren. Das zeigt sich bis in<br />
die Gegenwart in der unmittelbaren Nachbarschaft von