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Text: Annemarie Struß-von Poellnitz<br />
DIE STADT DER<br />
BREMER STADTMUSIKANTEN<br />
48<br />
Bremen ist anders: stressfrei, unprätentiös, erholsam,<br />
schön – und mit den Märchenfiguren hat die Stadt<br />
einen außergewöhnlichen Sympathieträger und welt -<br />
weit geschätzten Botschafter. Ein neuer Markenkern<br />
betont die <strong>bremisch</strong>e Identität.<br />
In Bremen lässt es sich gut leben und arbeiten. Das wuss -<br />
ten schon die Bremer Stadtmusikanten. Während der<br />
Roland das offizielle Wahrzeichen der Freien Hansestadt<br />
Bremen ist, stehen die Bremer Stadtmusikanten dem Ritter<br />
mit dem Schwert in der Popularität mindestens gleichberechtigt<br />
zur Seite. Sie sind zu den wichtigsten Bot schaf -<br />
tern des Landes geworden, noch vor Werder Bremen.<br />
Die Bremer Stadtmusikanten gehören zu den bekann tes -<br />
ten Märchen der Gebrüder Grimm. Seit 1819 hat die abenteuerliche<br />
Reise von Esel, Hund, Katze und Hahn einen<br />
festen Platz in deren „Kinder- und Hausmärchen“. Die<br />
Erzählung gilt als sogenanntes Gesindemärchen, stehen<br />
doch die vier tierischen Helden für den Aufbruch aus<br />
Knechtschaft und Unterdrückung. Ihr Ziel war eine freie<br />
Hansestadt, denn damals galt „Stadtluft macht frei“, frei von<br />
Leibeigenschaft und existenzieller Not – eine Hoffnung,<br />
die bei Weitem nicht für alle in Erfüllung ging, aber bis ins<br />
Zeitalter der Globalisierung nichts von ihrer Sogwirkung<br />
verloren hat. Das sehen wir heute am unaufhaltsamen<br />
Wachstum der Millionenstädte in Asien oder Südamerika.<br />
Doch davon konnten die Stadtmusikanten des Volks -<br />
märchens natürlich noch nichts ahnen. Ihr Anführer, der<br />
Esel, wusste nur: „Etwas Besseres als den Tod findest du<br />
überall“. Eine Losung, die noch heute für alle gilt, die ins<br />
Ungewisse aufbrechen, um ein neues Leben zu beginnen.<br />
Die künftigen Stadtmusikanten, die sich Richtung Norden<br />
auf den Weg machten, sind auch deshalb so populär<br />
geworden, weil sie sich durch nichts von ihrem Ziel abbringen<br />
ließen. Sie überwanden Hunger und Durst, und<br />
obwohl sie eigentlich die Schwächeren waren, konnten sie<br />
gemeinsam, mit Mut und List, die übermächtigen Räuber<br />
besiegen und es sich in deren Haus bequem machen.<br />
Bronzestatue neben dem Rathaus<br />
Neider behaupten, die Stadtmusikanten seien nie bis<br />
Bremen gekommen. Sie hätten sich in Syke oder einem<br />
anderen Ort im Speckgürtel vor den Toren der Stadt<br />
niedergelassen und seien nur für gelegentliche Auftritte<br />
auf dem Marktplatz in die Stadt gependelt. Das ist ein<br />
Dilemma, unter dem der Wirtschaftsstandort Bremen bis<br />
heute leidet: Bremen bietet täglich vielen Tausend Pend -<br />
lern Arbeit, die die Infrastruktur der Stadt nutzen, ihre<br />
Häuschen aber im Umland haben, wo sie dann auch<br />
Lohnsteuer bezahlen. Ein ständiges Streitthema im Länderfinanzausgleich.<br />
Aber das gilt nicht für die Stadtmusikanten. Sie sind und<br />
bleiben Bremer. Davon überzeugen sich täglich Touristen<br />
aus aller Welt. Sie stehen in Trauben um die Bronzestatue<br />
des Bildhauers Gerhard Marcks herum und fotografieren<br />
sich gegenseitig dabei, wie sie die Vorderläufe des Esels<br />
umfassen. Dadurch sollen Wünsche in Erfüllung gehen.<br />
Dass es in Bremen Stadtmusikanten gibt, ist außerdem<br />
schon seit 1339 aktenkundig. Die „Stadt- und Rathsmusici“<br />
spielten zu festlichen Anlässen auf, begleiteten den Rat<br />
auf Delegationsreisen und stellten für die Erfüllung ihrer<br />
offiziellen Verpflichtungen immer mal wieder umher zie -<br />
hende Musikanten ein, verstärkten also projektbezogen<br />
ihre Kernmannschaft um Freelancer. Die tierischen Musi -