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Schütting, Sitz der Handelskammer, und Rathaus, Sitz der<br />
Landesregierung. „Das Gegenüber von Schütting und<br />
Rathaus wurde zum Symbol für das Miteinander und<br />
Gegeneinander politischer Meinungen und wirt schaft -<br />
licher Interessen im republikanischen Stadtstaat Bremen“,<br />
schreibt die Historikerin Lydia Niehoff. Die Amtszimmer<br />
von Präses und Bürgermeister trennen nur wenige<br />
Schritte.<br />
Anfänglich hatte allerdings jemand anderes das Sagen: der<br />
Bischof. Neben Schütting (475 Jahre alt) und Rathaus (600<br />
Jahre alt) ist der prachtvolle St. Petri Dom Dritter im Bunde<br />
der stolzen, symbolträchtigen und machtvollen Denkmalgebäude<br />
rund um den Marktplatz. Bischof Willehad ließ<br />
789 zur Zeit Karls des Großen in der kleinen Siedlung am<br />
Rande der christlichen Zivilisation auf ihrem höchsten<br />
Punkt, einer Weserdüne, eine Kirche bauen; Bremen wurde<br />
Bischofsitz. Bezeichnenderweise entsteht hier bei aller<br />
Ländlichkeit keine agrarische Siedlung. Stattdessen wächst<br />
Bremen im Mittelalter „in topografischem Dualismus<br />
zwischen geistlichem Bezirk mit befestigter Domburg<br />
und unbefestigter kaufmännisch-gewerblicher Siedlung<br />
heran“, so Konrad Elmshäuser. Gewerbe und Handel gaben<br />
ab dem 12. Jahrhundert den Ton an, die kirchliche Metropole<br />
verwandelte sich in eine bürgerliche Stadt. Ein besonderes<br />
Privileg wurde Bremen 1186 durch das Barbarossa-<br />
Diplom zuteil; der Staufer bestätigte darin den Bremern<br />
ihre Stadtfreiheit (gemäß dem mittelalterlichen Motto<br />
„Stadtluft macht frei“). Die Urkunde gilt als eine Art Magna<br />
Charta <strong>bremisch</strong>er Freiheit.<br />
Das goldene Zeitalter des Handels<br />
Diese Freiheit, die auch immer eine Freiheit des Handels<br />
bedeutet, ist ein konstitutives Element der <strong>bremisch</strong>en<br />
Geschichte und der Wirtschaftsentwicklung. Die Bremer<br />
Fernhändler fuhren als eine der ersten über Nord- und<br />
Ostsee und verkauften Fisch, Getreide oder Bier nach<br />
England, Norwegen oder Flandern. Durch die Hanse<br />
konnte Bremen seine Bedeutung weiter steigern. Im 16.<br />
und 17. Jahrhundert kam der Kolonialwarenhandel hinzu<br />
und Bremen erlebte eine Blütezeit in der ersten Hälfte des<br />
17. Jahrhunderts. Mit der amerikanischen Unabhängigkeit<br />
Ende des 18. Jahrhunderts (1794 schickten die USA einen<br />
Konsul nach Bremen) brach ein goldenes Zeitalter des<br />
Bremer Handels an. Bremische Überseekaufleute traten auf<br />
den Plan, steuerten Ziele in Amerika, Afrika, der Karibik an,<br />
handelten mit exotischen Produkten wie Tabak, Tropenholz,<br />
Rohrzucker, Kaffee und Baumwolle. Sie haben Bremen<br />
reich gemacht; mit ihren globalen Handelsimperien<br />
haben sie viel Geld verdient und ihr Kapital in den Schiffbau,<br />
in Industrien, aber auch in Kunst und Kultur gesteckt.<br />
„Der Unternehmergeist der norddeutschen Hafenstädte,<br />
basierend auf jahrhundertealtem Vorsprung, entfaltete<br />
sich zu höchster Blüte und katapultierte die deutsche<br />
Nordseeküste auf einigen Gebieten an die Spitze der<br />
Weltwirtschaft“, schreibt der Publizist Matthias Wegner<br />
über diese Epoche. Bremens Schifffahrt und Handel ritten<br />
mit herrlichen Dampfern auf einer „gigantischen Auswanderungswelle“.<br />
Und es war ein stattlicher hanseatischer<br />
Reeder mit dem schlichten Namen Meier, der zu einer der<br />
prägenden Figuren der Bremer Wirtschaftsgeschichte<br />
wurde. H. H. Meier schuf mit dem Norddeutschen Lloyd<br />
eine der größten Passagierschiffslinien der Welt; seine<br />
großen Transatlantikdampfer waren zugleich Sinnbild<br />
<strong>bremisch</strong>er Leistungs- und Wirtschaftskraft.<br />
Der Geniestreich des Johann Smidt<br />
Für den Entwicklungsschub im 19. Jahrhundert war ein<br />
Investitionsprojekt maßgebend: der Seehafen in Bremerhaven.<br />
Der <strong>bremisch</strong>e Handel litt zusehends unter der<br />
Versandung der Weser. Was tun? Es war der Bürgermeister<br />
Johann Smidt, der 1826/27 den Hannoveranern 500 Morgen<br />
Land an der Mündung der Geeste abtrotzte, um hier,<br />
ziemlich weit weg von Bremen, einen Hafen zu bauen.<br />
Was für ein Geniestreich das war, sollte sich erst später<br />
zeigen. Der Historiker Elmshäuser attestiert Johann Smidt<br />
einzigartige Weitsicht. Bei den Zeitgenossen allerdings war<br />
der neue Hafen recht umstritten. „Die enormen Kosten“,<br />
so Elmhäuser, „schienen nicht durch einen erkennbaren<br />
Nutzen gerechtfertigt.“ Der Hafen kam erst allmählich in<br />
den 1840er-Jahren in Schwung.