LITERARISCHE LESE IN FRANKEN-www-final
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Literarische<br />
<strong>LESE</strong> 2016<br />
in Franken<br />
Leseförderung Leseförderung analog analog<br />
Vorschlag Klassenlektüre 7./8. Jahrgangsstufe<br />
Gangsta-Oma<br />
von David Walliams, Übersetzung: Naoura, Salah; Illustration: Ross, Tony<br />
Rowohlt Tb. 2016, 249 Seiten<br />
Nicht umsonst ein Bestseller: Gangsta-Oma ist eine abenteuerliche Geschichte,<br />
in der Ben seine Oma besser kennen lernt.<br />
Ben, ein 11jähriger Junge, lebt in einer Familie, die viele negative Klischees bedient. Die Mutter, die in einem<br />
Nagelstudio arbeitet, und der Vater, ein eher dicklicher, wenig erfolgreicher Kaufhausdetektiv, lieben<br />
Tanzsendungen. Sie kaufen Accessoires der Stars und wünschen sich für ihren Sohn auch eine entsprechende<br />
Karriere. Wenn sie die Möglichkeit haben, eine Fernsehaufzeichnung live zu verfolgen, schieben sie Ben bei<br />
seiner Oma ab. Der mag letztere, findet sie aber doch recht langweilig. Sie ist halt in ihrem Aussehen, ihrer<br />
Kleidung, ihrer Ernährung und ihren Freizeitbeschäftigungen die klassische Oma und hat so meist andere<br />
Interessen als ein 11Jähriger. Seine Großmutter erfährt aber davon, ist getroffen und erzählt ihm, dass sie<br />
einst eine gesuchte Juwelendiebin gewesen sei. Ben beeindrucken ihre Geschichten zu den gestohlenen<br />
Klunkern und er wird hellhörig, als ihm Oma von den wertvollsten Juwelen überhaupt, den Kronjuwelen der<br />
Queen, erzählt. Er ersinnt eine Möglichkeit, diese zu stehlen, wobei ihm seine Klempner-Leidenschaft<br />
zugutekommt. Der Plan ist gelungen und soll in Angriff angenommen werden. Parallel dazu verstrickt sich<br />
Ben gegenüber seinen Eltern in eine Lügengeschichte, die ihn zu einem Tanzauftritt nötigt. Dass dann doch<br />
alles ein bisschen anders kommt, als geplant, ist angesichts einer Verbrechergeschichte ganz gut.<br />
Williams überzeichnet die Figuren stark und entwirft dafür Klischeebilder. So isst die Oma wohl ausschließlich<br />
Kohl und pupst ständig. Die Eltern haben gar kein Interesse an ihrem Sohn und seiner Klempnerleidenschaft.<br />
Durch diese Extreme wird aber für Kinder der Wandel der Figuren gut deutlich: Die Oma entpuppt sich als<br />
ganz und gar nicht langweilige, sondern unterhaltsame, liebenswerte Person. Auch die Eltern lernen einiges<br />
dazu und akzeptieren ihren Sohn und seine Leidenschaft fürs Klempnern. Mit dem Tod der Oma am Ende<br />
verlässt Williams letztlich ganz die unterhaltsame Ebene der Räuberpistole und bringt nochmals<br />
erzieherische Werte ein, die auch vorher schon ganz nebenbei einfließen.<br />
Dass der Leser die inhaltlichen „Broken“ kaum so empfindet, liegt nicht nur an der unterhaltsamen<br />
Erzählweise des aktuell erfolgreichsten britischen Kinderbuchautors und seiner Übersetzerin Naoura Salah,<br />
sondern auch an den witzigen Illustrationen von Tony Ross. Alle drei bis vier Seiten finden sich gute<br />
Zeichnungen oder auch lautmalerische Schriftspielereien, die Inhalte nochmals pointiert auf den Punkt<br />
bringen.<br />
Ein empfehlenswertes Buch für alle Fünft- und Sechstklässler. Es lädt dazu ein, selbst eine weitere Stelle ihrer<br />
Wahl zu illustrieren. Die Figuren lassen sich gut charakterisieren, es gibt immer einen klaren Wendepunkt,<br />
der zu einer Verhaltensänderung führt. Bei den Eltern ist es Bens unsäglicher Tanzauftritt, bei der Oma das<br />
belauschte Telefonat. Dazu können der Umgang mit älteren Menschen in unserer Gesellschaft, aber auch die<br />
eigenen Berufswünsche Thema im Unterricht sein. Da das Buch eher die Durchschnittsfamilie mit normalen<br />
Berufen und Berufswünschen beschreibt, lässt es auch leichter Gespräche darüber zu.<br />
Operation 5 minus<br />
von Charlotte Inden<br />
Hanser 2014, 170 Seiten<br />
Fünf Jungs lassen sich aus Solidarität auf ein verrücktes Vorhaben ein –<br />
ein harter Test für ihre Freundschaft.<br />
Alles beginnt mit einer Situation, die viele aus der Schule kennen: Ein Freund wird das Schuljahr nicht<br />
schaffen. Matze hat in Mathe eine Fünf und der Lateinlehrer Biglmaier wird ihm auch eine Fünf geben.<br />
Matzes Vater, dem die Hand locker sitzt, wird ihn dafür von der Schule nehmen. Jo, Gogol, der Graf und<br />
Laurenz werden ihren Freund verlieren - und Matze seinen Halt. Das wollen sie nicht hinnehmen und so<br />
macht Gogol den Vorschlag, Biglmaiers Tochter zu entführen und gegen eine Vier freizupressen. Als Matze<br />
hoffnungsvoll reagiert, ist das Dilemma da: Soll man den Freund hängenlassen? Das Verhängnis nimmt<br />
seinen Lauf. Das ist vor allem Jo, dem Ich-Erzähler, bewusst. Er unternimmt noch Versuche, in Gesprächen<br />
mit dem einen oder anderen alles aufzuhalten, aber es gelingt nicht. Das Schicksal spielt dem Unterfangen in<br />
die Hände und Schneewittchen, Biglmaiers Tochter, wird entführt. Dabei verletzt sich das Mädchen und<br />
rüttelt so die anderen Jungs wach. Dass die Geschichte für die Jungs noch relativ gut ausgeht, ist<br />
Schneewittchen und der Freundschaft der Jungs geschuldet.<br />
Das Cover lässt eine eher leichte Geschichte vermuten, doch Inden präsentiert mit „Operation 5 minus“<br />
einen anspruchsvollen Plot. Sie zeigt, wie Jo und seine Freunde in eine Geschichte hineinschlittern, obwohl<br />
zumindest Jo schon vorher weiß, dass das Ganze keine gute Idee ist. Von der ersten Seite an spürt man mit<br />
dem Ich-Erzähler zusammen das Grummeln im Bauch, das sich angesichts des Vorhabens breitmacht. Man<br />
liest rasch weiter in der Hoffnung, dass sich noch alles trotz der Andeutungen gut löst. Dabei lernt man die<br />
fünf Jungs besser kennen: Den Gogol, der sich nur so selbstbewusst gibt, weil seine Eltern ihn angesichts des<br />
erfolgreichen Bruders fast vergessen. Den Matze, der sich daheim um die zahlreichen Geschwister kümmert,<br />
weil seine Mutter wohl psychisch krank ist. Den Laurenz, der behütet in einer Oberschichtsfamilie groß wird.<br />
Den Grafen, der von seiner Großmutter großgezogen wird, weil seine Eltern verunglückt sind. Und Jo, der in<br />
einer ganz normal chaotischen Familie lebt. Das Buch zeigt nicht nur die Verhängnisse von Gruppendynamik<br />
auf, sondern auch die große Bereitschaft, Verantwortung für andere zu übernehmen. Obwohl die Jungs nicht<br />
immer einer Meinung sind, sind sie echte, gute Freunde und zeigen, was Freundschaft auch schaffen kann.<br />
Eine sehr gute Klassenlektüre: Sie kommt gleich zur Sache und fesselt von Beginn an. Auf nur 170 Seiten<br />
bietet das Buch an, sich über die Werte und Grenzen von Freundschaft Gedanken zu machen. Da die fünf<br />
Jungs 12 Jahre alt sind, können sich wohl Leser der 6. und 7. Jahrgangsstufe besonders gut mit ihnen<br />
identifizieren. Der Inhalt selbst kommt sicher auch bei älteren Schülern gut an.<br />
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