LITERARISCHE LESE IN FRANKEN-www-final
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Literarische<br />
<strong>LESE</strong> 2016<br />
in Franken<br />
Leseförderung Leseförderung analog analog<br />
Vorschlag Klassenlektüre 10./11./12. Jahrgangsstufe<br />
Herr Müller, die verrückte Katze und Gott<br />
von Ewald Arenz<br />
Ars Vivendi 2016, 318 Seiten<br />
Herrlich humoriger Roman, in dem die verschwundene Seele eines<br />
Verstorbenen Himmel undHölle kurz aus dem Gleichgewicht bringt.<br />
Alles beginnt damit, dass Herr Müller bei einem wirklich dummen Sturz aus dem Fenster auf der Trennlinie<br />
eines Himmel- und Hölle-Spiels landet und stirbt. Das wäre noch nicht so schlimm - auch das Mädchen, das<br />
besagtes Himmel- und Höllespiel gerade spielt, hat den Schock mit ein paar Gummibärchen schnell<br />
überwunden - , wenn Herrn Müllers Seele im Himmel angekommen wäre. Ist sie aber nicht. Und dabei heißt<br />
es doch: „Gott der Herr hat sie gezählet, dass ihm auch nicht eine fehle“. Wenn nun also eine Seele fehlt,<br />
dann geht die Welt unter. Die Erzengel im Himmel wollen dies verhindern und versuchen nun die Seele zu<br />
finden und in den Himmel zu bringen, bevor Gott, der Herr, aufwacht und das Fehlen bemerkt. Auch die<br />
Hölle hat von der Sache Wind bekommen und will diese Seele haben. So beginnt ein Wettrennen zwischen<br />
den Geschöpfen der Hölle und den Erzengeln…<br />
Neben dieser abenteuerlichen Jagd nach der Seele ist inhaltlich natürlich auch der theologischphilosophische<br />
Hintergrund zu nennen. Das „Personal“ des Buches entstammt größtenteils der Bibel, doch<br />
seine Himmelsvorstellung schafft sich Arenz neu. So verlagert er den Sitz des Paradieses in den 13. Stock des<br />
Spiegelhochhauses in Hamburg und verleiht ihm das Flair des Frankfurter Flughafens. Um mit dem Zeitgeist<br />
zu gehen, werden nun auch dort die Zu- und Abgänge, also das Sterben und Wiedergeborenwerden,<br />
digitalisiert. Während sich manche Engel mit Excel schwertun, geht Martin Luther in dieser neuen Technik<br />
auf. Den aktuellen Religionskonflikten begegnet der Autor mit Humor, indem er in seinem Himmel alle<br />
Religionen zusammenkommen lässt. Es gibt nur einen Gott, der – je nachdem wer ihn betrachtet – eben<br />
anders heißt oder aussieht. Das hängt nur von der Vorstellung des jeweiligen Betrachters ab.<br />
Wie aus den bisherigen Erläuterungen schon deutlich wird, ist das Buch herrlich humorvoll. Arenz hat nicht<br />
nur für den großen Plot, sondern auch für viele kleine Nebenhandlungen einfach witzige Ideen: Da werden<br />
die „Starbucks“- Filialen, die auch die Scheidungsraten in den jeweiligen Städten hochschnellen lassen, schon<br />
mal zu den Pforten zur Hölle. Und der Klimawandel könnte vielleicht doch darauf zurückzuführen sein, dass<br />
der Dämonenfürst „Abbadon“ in die Antarktis verbannt wurde und ihm ständig das Eis unter den Füßen<br />
wegschmilzt. Befreiend unpädagogisch und herrlich abstrus!<br />
Arenz hat einen guten Unterhaltungsroman geschrieben, der mit Schülern ab der zehnten Jahrgangsstufe<br />
gelesen werden kann, um sie an die Erwachsenenliteratur heranzuführen. Im Unterricht bietet sich eine<br />
Zusammenarbeit mit Ethik/Religion an. Thematisiert werden können etwa die vorkommenden biblischen<br />
Figuren sowie die Weltreligionen und ihre Jenseitsvorstellungen im Allgemeinen. Auch Gedankenspiele à la<br />
Arenz könnten ältere Schüler im Deutschunterricht wagen, wenn sie in kleinen Satiren tatsächliche<br />
Missstände der Welt durch freilich frei erfundene, möglichst abstruse (himmlische) Zusammenhänge zu<br />
erklären versuchen.<br />
Vorschlag Klassenlektüre 9./10./11. Jahrgangsstufe<br />
echt<br />
von Christoph Scheuring<br />
Magellan 2014, 255 Seiten<br />
Albert (er findet den Namen selber blöd) lernt Kati und ihre drogenabhängigen<br />
Freunde kennen,verliebt sich ... - mit Happy End.<br />
Albert ist einer, dem man in der Schule kaum Beachtung schenkt. Er scheint auch keine Freunde zu haben,<br />
sondern verbringt seine Freizeit oft am Bahnhof, wo er "Abschiede" fotografiert. Und dann sitzt plötzlich Kati<br />
vor seiner Linse. Das schönste Mädchen, das er je gesehen hat. Sofort verliebt. Durch sie lernt er die<br />
Jugendlichen des Bahnhofsmilieus kennen. Der starke Anführer Sascha, der sich um die anderen kümmert,<br />
schlägt ihm vor, diese Jugendlichen zu fotografieren. Das sei "echt". Die Fotos der Abschiede, gerade jenes,<br />
auf dem ein junges Mädchen einen etwa 20 Jahre älteren Mann innig umarmt, seien nicht echt. Kati findet<br />
das auch, doch will sie unbedingt diesen Mann ausfindig machen. Albert hilft ihr. Dabei kommt er Kati näher<br />
und sie lässt ihn auch langsam an ihrer Lebensgeschichte teilhaben. Ihre Eltern sind verstorben, ihre<br />
Schwester ist aus dem Heim ausgebüxt und hier am Bahnhof vom Zug überrollt worden. Wohl Selbstmord.<br />
Alberts Foto zeigt sie kurz vor ihrem Tod. Kati will herausfinden, wer dieser Mann ist und warum ihre<br />
Schwester wohl vor den Zug gesprungen ist. Ihr genaues Motiv oder ob es sogar Mord war, erfährt Kati aber<br />
letztlich nicht. Doch gibt es so etwas wie ein Happy End. Albert ist durch die Erlebnisse gereift, dazu werden<br />
seine Fotos groß ausgestellt. Kati wird wohl durch Albert den Weg aus dem Bahnhofsmilieu herausfinden.<br />
Auch durch Sascha, der sie liebt und sich für Kati opfert.<br />
"Echt" ist ein echt gutes Buch, das von der Jugendjury für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2015<br />
nominiert wurde. Trotz des für Kati in Aussicht gestellten Happy Ends, der positiven Liebesgeschichte und des<br />
fotografischen Erfolgs Alberts ist es nicht kitschig. Die dargestellten Jugendlichen sind stark. Kati meidet<br />
Drogen, auch Albert lässt sich trotz der engen Verbundenheit kaum in die Szene ziehen. Bei einem<br />
Fahrraddiebstahl macht er aber mit. Sascha hat einen erschreckend analytischen, klaren Blick auf seine<br />
Freunde und sich. Er weiß, dass eine gemeinsame Beziehung Kati gefährden würde. Er weiß, dass er<br />
gegebenenfalls sehr brutal sein muss, um seine Gruppe zu schützen. Er weiß, dass er die Drogen nur rauchen<br />
darf, um nicht total abzustürzen. Er weiß, dass er keine Perspektive hat. Durch diesen mitleidlosen,<br />
sachlichen Blick (ohne moralischen Zeigefinger) kann das Buch auch gut zur Drogenprävention genutzt<br />
werden.<br />
Albert kann insofern als Held wahrgenommen werden, weil er<br />
Mut beweist<br />
sich von Autoritäten, Älteren oder körperlich Überlegenen nicht einschüchtern lässt<br />
hilfsbereit auf der Seite der Schwachen steht<br />
handlungsstark ist<br />
Als Held bleibt er trotzdem eine Alltagsfigur, mit der sich jugendliche Leser identifizieren können. Schließlich<br />
schlägt er sich auch mit den typischen Problemen eines 15-Jährigen herum. Orientierung findet Albert bei<br />
seinem Vater, der wiederum eine männliche literarische Bezugsperson darstellt. Die Mutter hat die Familie<br />
verlassen und übt ihre Mutterrolle eher alibimäßig aus.<br />
"echt" ist eine gute Klassenlektüre, es bietet durch den männlichen Ich-Erzähler und die obdachlose Kati<br />
Identifikationsfiguren für Jungen und Mädchen. Die Handlung trifft Interessen der Jugendlichen. Eine kleine<br />
Idee zur Umsetzung findet man auch auf den Seiten des Deutschen Jugendliteraturpreises.<br />
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